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Rohstoffmarkt im Bärenmarkt-Territorium

22.06.2012  |  Eugen Weinberg
Der Ausverkauf an den Rohstoffmärkten setzte sich gestern sich fort. Auslöser für den Preisrückgang waren schwächer als erwartet ausgefallene Konjunkturdaten aus China, der Eurozone und den USA, welche neue Nachfragesorgen schürten. Gemessen am Rohstoffindex S&P GSCI befinden sich Rohstoffe mittlerweile in einem "Bärenmarkt", weil sie von der Spitze im Februar über 20% an Wert verloren haben. Zwar deuten alle Zeichen auf einen weiteren Preisrückgang hin: Die Stimmung an den Finanzmärkten bleibt sehr bedrückt, das Wirtschaftswachstum dürfte sich weiter verlangsamen, der US-Dollar tendiert weiter zur Stärke und eine baldige Lösung der "Eurokrise“ ist nicht Sicht. Dennoch glauben wir, dass sich die fundamentale Angebots-/Nachfragesituation in einem besseren Zustand befindet als vom Markt eskomptiert und die Rohstoffpreise spätestens im Spätsommer den Boden erreichen werden.


Energie

Erneut waren es dabei die Ölpreise, welche die Verluste anführten. Der Brentölpreis verlor weitere 4% und fiel erstmals seit 18 Monaten unter die Marke von 90 USD je Barrel. Erstmals seit Februar 2011 befindet sich das vordere Ende der Brent-Terminkurve im Contango, was auf eine reichliche Versorgung hindeutet. Ohne signifikante Produktionskürzungen seitens der OPEC dürfte der Abwärtstrend anhalten. Der leichte Rückgang der OPEC-Lieferungen um 20 Tsd. Barrel pro Tag, welcher das Beratungsunternehmen Oil Movements für die vier Wochen zum 7. Juli berichtet, dürfte hierfür nicht ausreichen.

Die Vereinigten Arabischen Emirate haben eine Pipeline in Betrieb genommen, welche Rohöl von den Ölfeldern im Westen des Landes an den Golf von Oman transportieren kann. Die Durchleitungskapazität beträgt zunächst 1 Mio. Barrel pro Tag und soll schrittweise auf 1,5 Mio. Barrel pro Tag steigen. Ein Großteil der Ölproduktion der Vereinigten Arabischen Emirate von 2,4 Mio. Barrel pro Tag muss dann nicht mehr durch die Straße von Hormus transportiert werden, wodurch sich die Angebotsrisiken erheblich verringern. Damit gibt es für den Ölpreis einen unterstützenden Faktor weniger, sollte die Iran-Krise in den kommenden Monaten wieder hochkochen.


Edelmetalle

Im Gegensatz zu den Vortagen konnte sich Gold dem Abwärtstrend nicht entziehen. Der Goldpreis verlor gestern ca. 40 USD und fiel mit 1.560 USD je Feinunze auf ein 2-Wochentief. Neben der Enttäuschung über das Ausbleiben weiterer quantitativer Lockerungsmaßnahmen durch die Fed belastet der Ölpreisrückgang. Denn damit sinken auch die Inflationsrisiken und die Nachfrage nach Gold als Versicherung gegen Kaufkraftverlust.

Auch die physische Goldnachfrage in Indien ist weiterhin schwach. Hierzu trägt die anhaltende Schwäche der Indischen Rupie bei, welche gegenüber dem US-Dollar auf ein Rekordtief gefallen ist und den Goldpreis in Indien nahe des Mitte Juni verzeichneten Rekordhochs von mehr als 90 Tsd. Rupien je Feinunze hält. Angesichts dieser Entwicklung ist eine baldige Erholung der Goldnachfrage im weltweit zweitwichtigsten Goldverbrauchsland nicht zu erwarten, was den Goldpreis zunächst gedämpft halten sollte.


Industriemetalle

Die am vorletzten Wochenende veröffentlichten vorläufigen Metallimportdaten für China hatten die meisten Marktteilnehmer auf dem falschen Fuss erwischt. So hat Chinas Zoll berichtet, dass die Kupferimporte im Mai entgegen den Erwartungen überraschend auf über 300 Tsd. Tonnen gestiegen sind. Daraus konnte man schließen, dass sich die Binnenachfrage in China in einer besseren Verfassung befindet als befürchtet. Die neuesten Daten lassen jedoch an dieser Interpretation Zweifel aufkommen. Denn auch die Kupferexporte sind kräftig gestiegen und zwar auf einen Rekordwert von über 100 Tsd. Tonnen - der vorherige Rekord von knapp 45 Tsd. Tonnen stammt noch aus dem Jahr 2005 -, so dass die Netto-Importe auf den niedrigsten Stand seit Juli 2011 gefallen sind.

Ausschlaggebend dafür war offensichtlich die inverse Arbitrage zwischen SHFE und LME, wobei die etwas höheren LME-Preise zu starken Zuflüssen von Kupfer aus China in die LME-Lagerhäuser in Südkorea und Singapur führten. Allein die Lagerbestände in Korea sind seit März um 70 Tsd. Tonnen gestiegen. Damit scheint der Zusammenhang zwischen den vorlaufenden Indikatoren, wie z.B. dem Einkaufsmanagerindex PMI und den Metallimporten, wieder hergestellt zu sein. Der gestern veröffentlichte vorläufige HSBC PMI für das Verarbeitende Gewerbe mahnt somit zu Vorsicht, der mit 48,1 Punkten auf den niedrigsten Stand seit sieben Monaten gefallen ist. Trotz kurzfristiger Preisrisiken bleiben wir bei Metallen in mittelfristiger Sicht optimistisch, weil die Stützungsmaßnahmen der Regierung und der Zentralbank in China bald ihre Wirkung zeigen sollten.


Agrarrohstoffe

Der indische Wetterdienst hält trotz eines bislang ungewöhnlich trockenen Juni an seiner Prognose einer normalen Monsunsaison fest und erwartet für dieses Jahr Monsunregenfälle in Höhe von 96% des langjährigen Durchschnitts. Der 50-Jahresdurchschnitt liegt bei insgesamt 89 Zentimeter Regen pro Quadratmeter während der von Juni bis September währenden Regenzeit. Im April ging man noch von 99% dieser Regenmenge aus. Dieser Wert ist kaum mehr zu erreichen, nachdem es in der ersten Junihälfte 36-50 Prozent weniger geregnet hat als üblich. Das Regendefizit seit Beginn der Monsunsaison beläuft sich derzeit noch immer auf 26%. Regenfälle von 90-96% gelten als unterdurschschnittlich und von weniger als 90% als Dürre, was zuletzt 2009 der Fall war und Missernten zur Folge hatte. In der Folge war Indien zwei Jahre in Folge auf Zuckerimporte angewiesen, woraufhin der Zuckerpreis auf ein 30-Jahreshoch von mehr als 36 US-Cents je Pfund gestiegen war.

Sollten die Regenfälle im Juli und August nicht wie erwartet anziehen, könnte die Monsunsaison noch immer unterdurchschnittlich ausfallen, was sich in geringeren Ernteerträgen niederschlagen würde. Indien gehört zu den weltweit führenden Exporteuren von Zucker und Baumwolle. Allerdings sind diese beiden Märkte derzeit durch ein beträchtliches Überangebot gekennzeichnet, so dass ein geringeres Angebot aus Indien nicht automatisch zu Knappheiten führen dürfte.

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