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China ist Euro-Käufer - EZB vor oder hinter der Kurve?

17.08.2010  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute bei 1.2860 (07.40 Uhr), nachdem im europäischen Handel Tiefstkurse der letzten 24 Handelsstunden bei 1.2779 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 85.30. In der Folge notiert EUR-JPY bei 109.65 während EUR-CHF bei 1.3390 oszilliert.

Der frühere Berater der chinesischen Zentralbank Yu Yongding, der an der Europareise der chinesischen Delegation zwischen 20. Juni und 2. Juli 2010 teilnahm, sagte, daß die Chinesen nachhaltig europäische Bonds gekauft haben. Auch der Appetit auf japanische Bonds hat sich im ersten Halbjahr auf das höchste Niveau seit fünf Jahren gestellt (Nettokäufe 20,1 Mrd. USD Gegenwert). Er betonte, daß Diversifikation (aus dem USD) ein grundsätzliches Prinzip sei.

Der Blick auf den Chart verrät, daß der Tiefpunkt diesen Jahres in der Parität EUR-USD bei 1.1875 am 7. Juni 2010 markiert wurde. Die große Aufwärtsbewegung auf dann über 1,3300 ergab sich ab dem 29. Juni ausgehend von Tiefstkursen bei 1.2150. Die Preisbewegung des Euros paßt zu den Aussagen Yongdings.

Die Rolle, die China spielt, wird immer machtvoller. Im Jahr 2009 wurde durch eine Vorauszahlung auf langfristige Energielieferungen an Rußland die Osteuropakrise/Eurokrise zuerst nivelliert und schlußendlich neutralisiert.

Die Chinesen spielen immer häufiger eine verantwortungsvolle Rolle in den Weltfinanzmärkten, wobei China insbesondere spekulative Attacken (die letzten zwei Jahre gegen den Euro), die systemisches Risiko kreieren, aus den Zentren NY oder London konterkariert oder unterbindet. Das Argument, daß hohe chinesische Devisenreserven primär nur Hypothek seien und Abhängigkeit von den USA schaffen, wird hier eindrucksvoll widerlegt. Diese Reserven sind Grundlage einer hohen Präsenz an den Weltfinanzmärkten und liefern die Grundlage, entscheidende Macht auszuüben.

Immer deutlicher wird, daß die Auseinandersetzung um Hegemonialmacht an den internationalen Finanzmärkten stattfindet. Das diesbezüglich häufig verschlafen wirkende politische Europa ist gut beraten, diesen Umstand in der Ausformung der Politik nachhaltig zu berücksichtigen! Es geht dabei um die Frage, welche Partner geeignet sind, die Interessenlage Europas zu stärken!

Für die Bewertung des Euros sind diese Einlassungen Yongdings von hoher Bedeutung. In Schwäche des Euros darf unterstellt werden, daß der chinesische Appetit auf Euroanlagen zunimmt. "Food for thought!"


Kommen wir zu den gestrigen Veröffentlichungen:

Der Preisauftrieb in der Eurozone erreichte per Juli 2010 mit +1,7% nach zuvor +1,4% das höchste Niveau seit November 2008, nachdem zwischenzeitlich per Juli 2009 ein Preisrückgang in der Spitze von -0,7% markiert wurde. Ergo hat sich der Preisauftrieb innerhalb von 13 Monaten um 2,4% erhöht.

Es gilt zu beachten, daß per November 2008 ein Leitzins in Höhe von 3,25% von der EZB für angemessen gehalten wurde. Zu diesem Zeitpunkt brach die Wirtschaft ein und der Preisauftrieb sank.

Heute bei dem identischen Preisauftrieb von 1,7% stellt sich eine dynamisch wachsende Weltwirtschaft ein und ein Preisanstieg um 2,4% in 13 Monaten und wir sehen eine "Steady Hand Policy" der EZB bei 1,00%. Das nehmen wir interessiert zur Kenntnis!

Die Stabprojektionen der EZB als auch die Erwartungshaltung des EZB-Direktoriums sind während der Aufschwungphase der letzten 15 Monate schlicht weg und ergreifend nicht treffend. Der Aufschwung als auch der Preisauftrieb wurden latent unterschätzt. Die EZB sucht übrigens keinen direkten Kontakt zu unserer Analyse. Schade …

Es stellt sich hier die Frage, ob die EZB vor oder hinter der Kurve bezüglich der Zinspolitik ist?

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Aus den USA erreichten uns folgende Daten:

Der "NY Empire State Manufacturing Index" legte per August von zuvor 5,1 auf 7,1 Punkte zu. Die Prognose war bei 8,0 Punkten angesiedelt. Der Index bewegt sich solide auf Expansionsniveau oberhalb der 0 Punktemarke.

Die Subindices lieferten ein gemischtes Bild. Der Auftragsindex brach von 10,1 auf 2,7 Punkte ein. Dagegen legte der Beschäftigungsindex deutlich von 7,9 auf 14.3 Zähler zu. Auch der Index, der wöchentliche Arbeitszeit mißt, konnte sich markant von -9,5 auf +7,1 Punkte verbessern. Die Investitionsbereitschaft nahm zu. Der betreffende Index stieg von 14,3 auf 22,9 Zähler an.

Inflationsdruck nahm dagegen ab. Der Einstandspreisindex sank von zuvor 25,4 auf 20,0 Punkte nach in der Spitze 44,7 Punkten per Mai 2010.

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Die "TIC-Kapitalzuflüsse" stellten sich per Juni auf 44,4 Mrd. USD nach zuvor 35,3 Mrd. USD. Diese positive Tendenz geht einher mit den Jahreshöchstkursen des USD gegen den Euro. Das paßt, es ist aber Vergangenheit.

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Der "NAHB Housing Market Index" sank per August unerwartet von zuvor 14 auf nun 13 Punkte. Erwartet war ein Anstieg auf 15 Zähler. Dieser Index ist damit auf dem niedrigsten Niveau seit dem 1. Quartal 2009 und belegt eindrucksvoll, daß dieser Sektor der USA weiter eine Hypothek für die US-Wirtschaft darstellt.

Es ist Beweis für unsere These, daß die US-Wirtschaft nicht rund läuft und insbesondere die Binnenwirtschaft das primäre Problem darstellt.

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Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das zunächst eine neutrale Haltung in der Parität EUR-USD favorisiert. Ein nachhaltiger Ausbruch aus der Bandbreite 1.2500 - 1.2930 eröffnet neue Dynamik.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank





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