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Chinesische Planwirtschaft hat Folgen für Rohstoffe

07.09.2010  |  Eugen Weinberg
Energie

Der WTI-Ölpreis hat seit gestern um 1% nachgegeben und ist unter die Marke von 74 USD je Barrel gefalllen. Auch wenn der gestrige Handel durch den US-Feiertag in seiner Aussagekraft beeinträchtigt ist, lässt sich festhalten, dass sich die Preisdifferenz zwischen der europäischen Ölsorte Brent und der US-amerikanischen Ölsorte WTI mittlerweile auf nahezu drei USD ausgeweitet hat. Dies ist der größte Abstand seit Anfang Mai. Wir führen den Preisabschlag von WTI auf die Überversorgung auf dem US-Markt zurück, was sich in rekordhohen Lagerbeständen an Rohöl und Ölprodukten widerspiegelt.

Der gedämpfte Nachfrageausblick in den USA macht es zudem unwahrscheinlich, dass der starke Lagerüberhang in den kommenden Monaten abgebaut wird. Zudem belastet das nachlassende Anlegerinteresse den WTI-Preis stärker, da der Großteil der Finanzanleger an den US-Börsen handelt. Von daher ist Brent für den weltweiten Ölmarkt derzeit als repräsentativer zu bezeichnen.

Wenig hilfreich ist für den WTI-Preis zudem, dass die diesjährige Hurrikansaison bislang nicht zu nennenswerten Produktionsausfällen geführt hat. Auch der Tropensturm Hermine, welcher sich erst gestern im Golf von Mexiko gebildet hatte, hat die Öl- und Gasförderanlagen verschont und ist heute südlich von Texas an Land gegangen. Hermine zeigt allerdings, in welch kurzer Zeit sich Stürme im Golf von Mexiko bilden können. Es ist durchaus möglich, dass ein solcher Sturm in den kommenden Wochen die Produktionsanlagen trifft. Dieses Risiko sollte dem WTI-Preis Unterstützung geben und einem Abrutschen unter 70 USD entgegenstehen.


Edelmetalle

Der Goldpreis kann dem festeren US-Dollar weitgehend trotzen und handelt weiterhin nahe 1.250 USD je Feinunze. Der Goldpreis in Euro nähert sich dagegen wieder der Marke von 980 EUR je Feinunze. Dahinter stehen Sorgen über die Stabilität des europäischen Bankensystems. So könnte der Kapitalbedarf der europäischen Banken bei einem Inkrafttreten der neuen Eigenkapitalregeln (Basel III) steigen. Zwar dürfte eine Umsetzung von Basel III mit erheblichen Übergangsfristen einhergehen und wäre langfristig positiv zu sehen. Zunächst jedoch könnten Finanzierungssorgen dominieren. Von daher dürfte Gold als sicherer Hafen gefragt bleiben und die zuletzt zu beobachtenden Abflüsse aus dem SPDR Gold Trust nur vorübergehender Natur bleiben. Andere Gold-ETFs verzeichnen bis zuletzt Zuflüsse. So meldet der Gold-ETF der Zürcher Kantonalbank in der vergangenen Woche einen Anstieg seiner Goldbestände um 1,4% auf 5,8 Mio. Unzen (186,5 Tonnen).

Der Silberpreis steht kurz vor der Marke von 20 USD je Feinunze. Letztmals wurde diese Marke im März 2008 erreicht. Der Preisanstieg wird getrieben durch eine robuste Investmentnachfrage, was sich in einer deutlichen Ausweitung der spekulativen Netto-Long-Positionen und kräftigen Zuflüssen in den weltgrößten Silber-ETF widerspiegelt. Bei einem Überwinden von 20 USD ist mit einem zusätzlichen Kaufinteresse zu rechnen. Zudem ist Silber im Verhältnis zu Gold mit einem Gold-Silber-Koeffizienten von 63 noch immer preiswert.

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Industriemetalle

Die Preise für die wichtigsten Ausgangsrohstoffe für die Stahlherstellung dürften im 4.Quartal wieder sinken: Kokskohle dürfte sich um 7-9%, Eisenerz sogar um 10-13% verbilligen. Stahlabnehmer haben dennoch keinen Grund zur Freude. Denn als Folge der chinesischen Planwirtschaft könnte sich Stahl dennoch verteuern. Im derzeitigen Fünfjahresplan 2005-2010 wird eine Steigerung der Energieeffizienz um 20% avisiert. Um dieses Ziel noch zu erreichen, muss der Verbrauch pro BIP-Einheit bis Jahresende noch um 4,5% gesenkt werden. Also haben einige Provinzregierungen Stahlhütten in ihrer Region zu einer teilweisen bzw. kompletten Stilllegung aufgefordert. Daraufhin sind die Stahlpreise in China am Montag bereits um 4-5% gestiegen.

Das konkrete Ausmaß der Folgen für den Stahlmarkt ist zwar noch nicht abzusehen, aber mögliche signifikante Produktionsverluste bei bestimmten Stahlsorten dürften zu weiteren Preissteigerungen führen. Auch dürfte die restriktive Handhabung der Lokalregierungen beim Energieverbrauch für andere Rohstoffmärkte Folgen haben. Kürzungen bei der Produktion von Nickel Pig Iron sind bereits angekündigt, aber auch der Aluminium- und der Kupfermarkt dürften betroffen sein, weil Aluminiumhütten und Kupferschmelzen i.d.R. sehr energieintensiv arbeiten. China ist der weltgrößte Aluminiumproduzent und hat auch die größten Kupferschmelzkapazitäten weltweit.

Australiens Premierministerin Gillard hat es geschafft, eine Minderheitsregierung zu bilden. Ob sie ihre geplante 30%-Steuer auf Gewinne bei Eisenerz- und Kohleprojekten durchsetzen kann, bleibt wegen der nötigen Zustimmung der grünen und unabhängigen Parlamentarier ungewiss.


Agrarrohstoffe

Der Preis für Kakao, der an der ICE aufgrund verbesserter Angebotsaussichten von Mitte Juli bis Ende August um 15% nachgegeben hatte, konnte sich zuletzt leicht erholen. Der meistgehandelte Dezember-Kontrakt notiert derzeit wieder bei 2772 USD je Tonne. Ausschlaggebend hierfür waren Hinweise auf eine robuste Nachfrage, die sich unter anderem in weiter fallenden Lagerbeständen an der Börse in New York zeigt, und angesichts der erst noch bevorstehenden neuen Ernte insbesondere beim Hauptanbieter Elfenbeinküste die Preise steigen ließen. Die spekulativ ausgerichteten Finanzanleger setzen angesichts der bevorstehenden Ernten inzwischen mehrheitlich auf fallende Preise, was ihre in der Woche zum 31. August erstmals seit Oktober 2006 auf die Short-Seite gedrehte Netto-Handels-Position dokumentiert.

Das regnerische Wetter in der Elfenbeinküste in der letzten Woche hat allerdings Befürchtungen genährt, dass sich Pflanzenkrankheiten schneller verbreiten und der fehlende Sonnenschein die endgültige Ausreifung der Kakaoschoten beeinträchtigen könnte. Auch für die in manchen Gebieten unmittelbar bevorstehende Ernte wäre mehr Sonne wichtig, um die Kakaobohnen trocknen zu können. Für den Kakaopreis wird also das Wetter insbesondere in Westafrika auch in den nächsten Wochen ein entscheidender Faktor sein.


Terminkurven ausgewählter Rohstoffe: aktuell, vor einer Woche und vor einem Monat

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© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst

Quelle: Commerzbank AG, Corporates Markets





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