Suche
 
Folgen Sie uns auf:

Irland bestimmt die Finanzmärkte weiterhin - EU und IWF unterwegs nach Dublin!

17.11.2010  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute morgen (07.40 Uhr) bei 1.3495, nachdem Tiefstkurse der letzten 24 Handelsstunden im US-Handel bei 1.3449 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 83.40. In der Folge notiert EUR-JPY bei 112.60, während EUR-CHF bei 1.3445 oszilliert.

Gestern nahm die Risikoaversion an den Finanzmärkten weiter zu. Die Irland-Spekulation war einmal mehr entscheidend. In der Folge wurde der USD belohnt. In der Frage der Staatsdefizite ist das schon ein starkes Stück:
  • Im neuen Fiskaljahr, daß vor 1 ½ Monaten am 01.10.2010 begann, haben die USA es vermocht, eine Neuverschuldung von 228 Mrd. USD anzuhäufen (von 13.561 auf 13.789 Mrd. USD vom 01.10. bis 15.11.2010).

Dieses Land, das sich um überhaupt keine Reduzierung der Staatsschulden bemüht, sondern lustig drauf los konsumiert, ist der Gewinner in dieser Staatsdefizitdebatte, in der Europa seine Länder vom Geschäftsmodell her neu strukturiert, um Zukunftsfähigkeit zu etablieren. "Chapeau"! Faktenlagen sind offensichtlich irrelevant - hier dominiert derzeit der spekulative Markt und Marktpsychologie.

Die Marktteilnehmer belegen einmal mehr, daß der "Homo Oeconomicus" nur in Lehrbüchern sein Unwesen treibt.

Häufig anzutreffen ist entweder der "Homo Euphoricus", beispielsweise in der Phase Sommer 2007 bis Frühjahr 2008 oder während der Blütezeit des "Neuen Marktes" (Cash Burn Rate) oder der "Homo Panicus", der aktuell das Marktverhalten bestimmt. Tut er das aber wirklich solitär? Nein, das gilt natürlich nur für Europa. Dieselben "Player", die den "Homo Panicus" für Europa mimen, sind gleichzeitig faktisch "Homo Euphoricus" für die USA. Das ist schon klasse, oder ist es gar schizophren?

Der Markt bemüht sich, faktisch eine Kapitalmarktunfähigkeit Irlands zu etablieren,
  • obwohl Irland den Kapitalmarkt bis Mitte 2011 gar nicht in Anspruch nehmen muss.
  • Auch dann gäbe es noch eine Liquiditätsreserve von circa 30 Mrd. EUR, die Irland in die Lage versetzen würde weitere 18 Monate auf den Kapitalmarkt zu verzichten.

Schauen wir auf weitere Fakten:

Irlands Neuverschuldung basiert auf Rettungsmaßnahmen für irische Banken in einem Umfang von 350 Mrd. EUR. Daraus resultiert die massive Neuverschuldung in Höhe von 32% des BIP. Der Finanzmarkt behandelt diese Maßnahmen derzeit, als handele es sich bereits um 350 Mrd. Abschreibungen. Das ist absurd. Das ist sogar unprofessionell.

Vor diesem Hintergrund ist es absolut verständlich, daß Irland sich sachlich korrekt weigert, um Hilfe zu bitten. Dennoch kann es dazu kommen, um endlich dem "Homo Panicus" einen Tranquilizer zu verabreichen und die Spekulation gegen die Reformländer und damit auch die Integrität der Eurozone zu unterbinden. Diesbezüglich bieten wir einen Chart, den die "Zeit online" heute einstellte. Der Chart verdeutlicht, daß die Mitglieder der Eurozone ein veritables Interesse an Irland haben, um die eigenen Finanzinstitute vor möglichen Bilanzbelastungen zu schützen, die sachlich nicht ansatzweise geboten sind.

Open in new window


Die Tatsache, daß es aktuell gleichzeitig den "Homo Panicus" bezüglich der Eurozone und den "Homo Euphoricus" bezüglich der USA gibt, darf übrigens als Indiz interpretiert werden, daß es am Markt auch eine politische Agenda gibt, die wir gestern hier an dieser Stelle thematisierten.

Der deutsche ZEW-Index hat mit seinem Novemberwert belegt, daß die befragten Finanzfachleute doch etwas von der Wirtschaft verstehen. Der Index überraschte positiv mit einem nicht erwarteten Anstieg von zuvor -7,2 auf +1,8 Punkte. Die Prognose lag bei -7,0 Punkten.

Der ZEW-Index, der die aktuelle Lage in Deutschland bewertet legte noch einmal deutlich von 72,6 auf 81,5 Zähler zu und markierte damit den höchsten Stand seit Juli 2007!. Per April 2010 waren die befragten Finanzmarktteilnehmer noch recht schüchtern mit einer Bewertung von -39,2 Punkten.

Hatte das Auswirkungen auf den Finanzmarkt. Nein, positive Daten der Eurozone sind derzeit halt irrelevant. Falls Sie an dieser Stelle einen ironischen Unterton zu erkennen glauben, liegen Sie richtig. Bisweilen lassen sich die Skurrilitäten des Finanzmarkts nur mit Humor ertragen.

Open in new window


Die Verbraucherpreise der Eurozone legten per Oktober im Jahresvergleich um 1,9% nach zuvor 1,8% zu. Der Inflationsdruck steigt sukzessive. Vor diesem Hintergrund ist es nur verständlich, daß von Seiten der EZB erste Töne bezüglich eines Exits aus der Niedrigzinspolitik zu vernehmen sind. EZB-Chefökonom Stark betonte, daß das unterliegende Momentum in der Erholung erkennbar ist. Eine zu lange Phase niedriger Zinsen kann neue Probleme hervorrufen.

Open in new window


Die US-Erzeugerpreise verzeichneten per Oktober im Monatsvergleich eine Zunahme um 0,4%. Im Jahresvergleich übersetzte sich das in einen Anstieg um 4,3% nach zuvor 4,0%. Dazu passt natürlich eine leichte Deflationsdebatte und Nullzinspolitik der Federal Reserve ohne Andeutung eines Exits. Chapeau!

Open in new window


Die US-Industrieproduktion enttäuschte mit einem zum Vormonat unverändertem Ergebnis. Die Prognose lag bei 0,3%. Diese Sichtweise ist jedoch nur auf ersten Blick richtig.

Entscheidend für das Verfehlen der Prognose war der Sektor "Utility" (Strom etc.) mit einem Rückgang um -3,4%. Dagegen verzeichnete der Sektor "Manufacturing" mit +0,5% den höchsten Anstieg seit Juli. Im Jahresvergleich kam es hier zu einer Zunahme um 4,2%.

In der Folge verharrte die Kapazitätsauslastung im Monatsvergleich unverändert bei 74,8% (revidiert von 74,7%).

Open in new window


Der "NAHB Housing Market Index" per November verharrte bei 16 Punkten und verfehlte damit die bei 17 Zählern angesiedelte Konsensusprognose. Das neutrale Niveau liegt bei 50 Punkten. Dieser Indexwert belegt, daß die Krise in diesem Sektor der US-Wirtschaft weiter virulent ist.

Open in new window


Zusammenfassend ergibt sich derzeit ein Szenario, das den USD gegenüber dem Euro favorisiert. Erst ein nachhaltiges Überwinden der Widerstandszone bei 1.3850 - 1.3880 dreht den negativen Bias des Euros.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank





Hinweis: Meinungen oder Empfehlungen geben die Einschätzung des jeweiligen Verfassers wieder und stellen nicht notwendigerweise die Meinung der Bremer Landesbank oder deren assoziierter Unternehmen dar. Sie können sich jederzeit ohne vorherige Ankündigung ändern. Die hier enthaltenen Aussagen sind nicht als Angebot oder Empfehlung bestimmter Anlageprodukte zu verstehen. Dies gilt auch dann, wenn einzelne Emittenten oder Wertpapiere erwähnt werden. Hier enthaltene Informationen können auf die individuellen Verhältnisse des Anlegers abgestellte, kundenspezifische und objektorientierte Beratung nicht ersetzen. Bitte setzen Sie sich deshalb mit Ihrem bei der Bremer Landesbank zuständigen Berater in Verbindung.



Bewerten 
A A A
PDF Versenden Drucken

Für den Inhalt des Beitrages ist allein der Autor verantwortlich bzw. die aufgeführte Quelle. Bild- oder Filmrechte liegen beim Autor/Quelle bzw. bei der vom ihm benannten Quelle. Bei Übersetzungen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Der vertretene Standpunkt eines Autors spiegelt generell nicht die Meinung des Webseiten-Betreibers wieder. Mittels der Veröffentlichung will dieser lediglich ein pluralistisches Meinungsbild darstellen. Direkte oder indirekte Aussagen in einem Beitrag stellen keinerlei Aufforderung zum Kauf-/Verkauf von Wertpapieren dar. Wir wehren uns gegen jede Form von Hass, Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde. Beachten Sie bitte auch unsere AGB/Disclaimer!




Alle Angaben ohne Gewähr! Copyright © by GoldSeiten.de 1999-2024.
Die Reproduktion, Modifikation oder Verwendung der Inhalte ganz oder teilweise ohne schriftliche Genehmigung ist untersagt!

"Wir weisen Sie ausdrücklich auf unser virtuelles Hausrecht hin!"