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Italien bestimmt den Takt am Finanzmarkt!

12.07.2011  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute Morgen bei 1.3955 (06.55 Uhr), nachdem im asiatischen Handel Tiefstkurse der letzten 24 Handelsstunden bei 1.3933 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 80.10. In der Folge notiert EUR-JPY bei 111.75, während EUR-CHF bei 1.1685 oszilliert.

Kaum ist das Thema Griechenland im Griff, werden wir dank unserer Freunde aus den Ratingagenturen mit dem Thema Italien konfrontiert. Auf ersten Blick hat diese Attacke Charme. Italien weist die zweithöchste Staatsverschuldung der Eurozone aus. Knapp 120% des BIP sind es.

Als Italien als Gründungsmitglied in den Euro startete waren es beachtliche 100%. In der größten Finanzkrise seit 1929/1932 kamen deutlich weniger als 20% dazu. Das ist dann wiederum recht übersichtlich, insbesondere gegenüber USA und dem Vereinigten Königreich! Wenden wir uns den Fakten zu, um der überbordenden Emotionalität, die derzeit grassiert, Sachlichkeit entgegenzusetzen und damit auch die Rolle der Ratingagenturen zu hinterfragen.


Beginnen wir mit wesentlichen wirtschaftliche Rahmendaten:
  • Italien ist ein ökonomisches Schwergewicht. Es handelt sich um die drittgrößte Wirtschaft der Eurozone mit einer diversifizierten Aufstellung. Italien ist ein industrielles und kreatives Kraftpaket. Autobauer, Industriedesigner und Modeschöpfer machen Italien unter anderem zum erfolgreichen Exportland.

  • Italien ist per 2010 auf den Wachstumspfad mit 1,3% Wachstum zurückgekehrt, nachdem sich per 2008 eine Kontraktion um 1,3% und per 2009 um 5,0% ergab. Im laufenden Jahr wird mit einem etwas schwächeren Wachstum im Dunstkreis der 1% Marke gerechnet.

  • Per 2010 zog der Export um knapp 25% an. Hier wird die starke Vernetzung der italienischen Wirtschaft deutlich. Knapp 60% der Exporte gehen in die EU. Zuletzt wuchsen die Exporte insbesondere in Richtung Russland, Türkei, Deutschland und in den Mercosur Raum. Italien nimmt den fünften Platz auf der deutsche Export/Importrangliste ein.

  • Die Arbeitslosigkeit bewegt sich zwischen 8% -9% deutlich unterhalb des Durchschnitts der Eurozone.


Wenden wir und den Defizitdaten zu:
  • Italien weist eine Staatsverschuldung von knapp 120% des BIP aus.

  • Italiens Staatsschuld liegt zu 55% im Inland.

  • Italien wendet 16% der Steuereinnahmen für Zinszahlungen auf die Staatsschuld auf. Bei 30% beginnt laut IWF ohne Reformansatz die Risikozone (China: 6%, Deutschland 10%, USA 15%).

  • Italiens Neuverschuldung in % des BIP stellte sich in der größten Krise seit 1929/32 per 2009 auf 5,3% und per 2010 auf 5,0%. Das war geringer als der Durchschnitt der Eurozone bei 6,3% und 6,0%.

  • Italiens Neuverschuldung soll laut Prognose der Kommission per 2011 auf 4,0% und per 2012 auf 3,2% sinken. 2014 soll das Defizit unterhalb der 3% Marke liegen. Größenordnungen von denen die USA und das Vereinigte Königreich nebst Japan nur träumen können.

  • Der Unterschied zu den USA (Gesamtverschuldung größer als 100% des BIP), Japan (Gesamtverschuldung bei 230% des BIP) und dem Vereinigten Königreich (Gesamtverschuldung bei 85% des BIP) mit latenten Neuverschuldungsdaten oberhalb der 10% Marke könnte nicht augenfälliger sein.


Reden wir über Reformen:
  • Herr Tremonti in seiner Funktion als Finanzminister setzt derzeit gerade ein Reformprogramm in einem Volumen zwischen 40 - 50 Mrd. Euro auf.

Es ist absolut irritierend mit welcher Determination Ratingagenturen als auch die Finanzplätze London und New York die Eurozone Angriffen unterziehen und damit den Reformprozess der Eurozone unterminieren. Fakt ist, dass die Eurozone sich derzeit über Reformpolitik neu erfindet. Fakt ist, dass die USA dazu offensichtlich nicht in der Lage sind. Die fraglos gegebene Marktmacht des Finanzsektors unsachlich zu nutzen, um damit weniger zügig Hegemonialstellung zu verlieren, mag aus der Position der USA und der Finanzplätze London und NY menschlich verständlich sein, mehr aber auch nicht. Entscheidend für uns in Europa ist es, diesen Zusammenhang überhaupt erst mal zu erkennen und daraus die notwendigen Schlussfolgerungen zu ziehen.

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das nach dem Unterschreiten der Unterstützung bei 1.4050 den USD favorisiert. Ein Überwinden des Widerstandsfelds bei 1.4200 - 30 dreht den Bias.


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank





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