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Keine Lösungen am Horizont erkennbar - Kopflosigkeit in der Krise

22.11.2011  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute (07.45 Uhr) bei 1.3490, nachdem im europäischen Handel Tiefstkurse der letzten 24 Handelsstunden bei 1.3431 markiert wurden. Der USD stellte sich gegenüber dem JPY auf 77.10. In der Folge notiert EUR-JPY bei 103.95, während EUR-CHF bei 1.2365 oszilliert.

Der Nachrichtenpotpourri der letzten 24 Stunden ist mehr als ernüchternd. An allen Fronten kommt es zu weiteren Unsicherheiten.

Die belgische Regierungsbildung ist gescheitert. Der Mangel an Kontinuität Belgiens im Hinblick auf das Vorhandensein einer Regierung mutiert damit zur Kontinuität. Die Ratingagentur Moody’s warnte vor einer Herabstufung der Bonität Frankreichs. Höhere Zinslasten verbunden mit einem schwächeren Wirtschaftswachstum würden es erschweren, das Haushaltsdefizit wie angestrebt zu reduzieren. Diese Einlassung ist einmal mehr prozyklisch und verschärft damit die Krise. Sie goutiert nicht die Reformen, die in Frankreich umgesetzt werden bei einem deutlich niedrigeren Gesamtverschuldungsniveau als die USA (F circa 85% versus 100%+ in den USA) und auch einem deutlich niedrigeren Neuverschuldungsniveau als in den USA.

Das Scheitern des Superkomitees in den USA ist dagegen für Moody’s „informativ“ und sei nicht entscheidend. Diese Sichtweise nehmen wir zur Kenntnis und erkennen damit, dass Moody’s kontinentaleuropäische Länder diesbezüglich vollständig anders behandelt als die USA. Darin darf man eine politische Agenda erkennen.

Kommen wir damit zu dem politischen Fiasko in den USA. Zur Einstimmung werden wir einen Blick auf die Entwicklung der Einkommensteuer in den USA in % der Wirtschaftsleistung von 1947 bis heute werfen.

Dieser Chart belegt, dass bei mehr als 10% Anteil der Einkommensteuer am BIP um das Jahr 2000 ein nahezu ausgeglichener Haushalt der USA gegeben war. Der Chart belegt auch, dass der aktuelle Wert bei nur 6% im Dunstkreis der historischen Tiefstwerte liegt. Vor diesem Hintergrund sind die Positionen der Republikaner sachlich nicht nur nicht haltbar, sondern sie sind eine Beleidigung unterdurchschnittlicher Intelligenz.

Die Haltung der Republikaner unterstreicht die Reformunfähigkeit der USA. Wir sind sehr erstaunt, dass die Ratingagenturen diese Unfähigkeit nicht thematisieren, aber gleichzeitig das Thema Steuererhöhung und Verbreiterung der öffentlichen Einnahmebasis in Europa quasi einfordern ... "Food for a lot of thought!"

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Die deutsche Politik und die Bundesbank verweigern sich weiter europäischer Solidarität im erforderlichen Maße.

Eurobonds werden abgelehnt, eine verstärkte Rolle der EZB steht nicht auf der Agenda. Damit wird Stück für Stück mehr Europa verbrannt. Das sollte selbst politischen und ökonomischen Unwissenden vor dem Hintergrund des Krisenverlaufs der letzten 18 Monate bewusst sein! Herr Stark hat gestern richtigerweise darauf verwiesen, dass die Krise in den Kernländern angekommen ist. Wir ergänzen "ohne triftigen Grund"!

Dabei spielt die sachliche Ebene der realen Reformfortschritte oder der soliden Lage der Neuverschuldung und Gesamtverschuldung der Eurozone im Vergleich zu den USA, Japan und UK keine Rolle. So etwas zuzulassen, bedeutet nichts anderes als das Europa und Deutschland Schaden zugefügt wird. Ist es nicht die Aufgabe der Politik, Schaden abzuwenden?

Der nachfolgende Tabelle belegt die zuvor dargestellten Zusammenhänge eindrucksvoll:

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Wenn sich diese Krise in den Kernländern weiter ausweitet, dann wird auch Deutschland davon erfasst. Dann werden auch wir uns nicht mehr mit 1,7% oder 1,9% am Kapitalmarkt für zehnjährige Titel refinanzieren können.

Wird die Weltwirtschaft weiter durch die europäische Politik in den Abgrund gestoßen, wird Deutschland mit seinem exportlastigen Geschäftsmodell größter Verlierer sein. Das kennen wir bereits aus dem Jahr 2009!

Ist Berlin bewusst, womit hier gespielt wird? Wie kann man es zulassen, dass die Eurozone trotz deutlich besserer Fundamentaldaten in der Verschuldung und aggressiver Reformpolitik auf dem Altar der billigen Spekulation geopfert wird?

Die zögerliche Haltung aus Berlin ist für die Verschärfung der Krise seit März 2010 maßgeblich verantwortlich. Die Vorfestlegungen der deutschen Politik stellten sich in den letzten 18 Monaten als nicht haltbar heraus.

Anstatt einen pragmatischen Kurs zu wählen und damit ein hohes Maß an Unberechenbarkeit gegen die Spekulation in die Waagschale zu werfen, liefert die Bundesregierung durch ihre Politik der Spekulation gegen die Eurozone Tür und Tor.


Wenden wir uns Herrn Ackermann zu:

Passau, 21. Nov (Reuters) - Der Druck auf hochverschuldete Euro-Länder darf nach Ansicht von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann nicht verringert werden. Ja, das ist grundsätzlich richtig, wir sollten diese Länder aber auch nicht zu Tode reformieren nach dem Muster Griechenlands. Gemeinsame Anleihen, sogenannte Euro-Bonds, seien das falsche Signal an Länder wie Italien oder Spanien, sagte Ackermann am Montagabend in Passau. "Ich bin jetzt dagegen." Die Länder müssten vielmehr ihre Hausaufgaben machen. "Wir müssen den Druck auf die Staaten erhöhen." Solange der Laden nicht in Ordnung sei, machten Euro-Bonds keinen Sinn. Eurobonds machen sehr wohl Sinn, wenn sie an Bedingungen für die Teilnehmer gebunden werden.

In Spanien gibt es bereits einen "Trackrecord" der Reformen. Es gilt mit Eurobonds die Virulenz der Krise zu unterbinden, da sie die Basis der fiskalischen Erholung, den weltweiten Wirtschaftsaufschwung, unterminiert. Für Deutschland und andere vergleichsweise solide dastehende Länder würden die Zinskosten durch solche Emissionen steigen, weswegen die Bundesregierung diese ablehnt.

Hoppla, Herr Ackermann, da heißt es doch wohl erst einmal "danke" an die Reformländer zu sagen, dass unser Zinsniveau hier unten steht. Mit einem Eurobond würden wir einen fairen Zins zahlen, nachdem wir in Deutschland mehr als 18 Monate lang quasi eine Zinssubvention durch die Spekulation gegen die Reformländer erhalten haben. Manche Experten betonen aber, dass sie den Druck aus dem Kessel nehmen und damit zur Lösung der Krise beitragen könnten. Genau so ist es, der Eurobond würde es verhindern, dass weiter einzelne Länder angeschossen würden mit Destabilisierungseffekten für die gesamte Eurozone. Der Eurobond würde die Krise eindämmen und damit die Weltwirtschaft nicht weiter belasten.

Die Probleme Griechenlands seien für viele Banker absehbar gewesen. "Griechenland hat man schon gesehen", so Ackermann auf einer Veranstaltung der "Passauer Neuen Presse". Nur die Ansteckungsgefahr sei von allen unterschätzt worden. Herr Ackermann liest offensichtlich nicht den Forex Report, ansonsten könnte er nicht von "allen" sprechen. Ansonsten hätte das Problem leichter gelöst werden können. Nun gehe es primär darum, dass es nach Griechenland in den nächsten Jahren keinen weiteren Schuldenschnitt geben dürfe. "Das Problem ist, es glaubt uns niemand mehr." Wer ist "uns", das ist doch die Politik, sind Sie die Politik Herr Ackermann?

Daher seien die Zinsen für Italien und Spanien zuletzt deutlich gestiegen. Irrtum, diese Zinsen sind gestiegen, nachdem Frankreich durch Standard & Poors "zufällige" Kapriolen destabilisiert wurde ...

Ein Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone sei jedoch keine Lösung. Richtig! Das wäre schlimm, bekräftigte Ackermann. Niemand könne die Kollateralschäden beziffern. Davon reden wir seit circa 12 Monaten, danke für das Weghören …. Das Land würde seine Schulden erst recht nicht mehr bedienen können, auch die Forderungen deutscher Firmen wären nichts mehr wert und die Altersvorsorge von Millionen Griechen würde kollabieren. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) dürfe nicht als Notnagel missbraucht werden und alle Schrott-Anleihen aufkaufen.

Unsere Argumentationskette seit mehr als 12 Monaten …. "Da bin ich total dagegen", sagte Ackermann. Zur Hebelung des Euro-Rettungsschirmes sei vielmehr ein Versicherungslösung zu unterstützen, deutete er an. Stimmt, reicht das nach der Ansteckung in Richtung Kernländer denn noch aus? Mit dieser könnte man den Anlegern bei Neu-Emissionen von Staatsanleihen ein Teil des Risikos abnehmen und so die Nachfrage nach den derzeit kritischen Papieren wieder beleben. Erkenntnisse werden seit 18 Monaten zu spät in unserer "Elite" gewonnen … Schade für Deutschland, schade für Europa, schade für die Welt ….

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das zunächst eine neutrale Haltung in der Parität EUR-USD favorisiert. Ein nachhaltiger Ausbruch aus der Bandbreite 1.3350 - 1.3880 eröffnet neue Opportunitäten.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank



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