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Aktien und USD feiern ihre Entmündigung im System nicht mehr freier Märkte!

19.09.2008  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute bei 1.4215, nachdem im frühen europäischen Geschäft Tiefstkurse bei 1.4160 markiert wurden. Der USD notiert gegenüber dem JPY aktuell bei 106.80. "Carry-Trades" zeigen sich im Zuge freundlicher Aktienmärkte stabilisiert. EUR-JPY stellt sich auf 151.95, während EUR-CHF bei 1.5870 oszilliert.

Bevor wir uns den gestrigen Veröffentlichungen widmen, bedarf die aktuelle im Raum stehende politische Intervention in den USA einer Kommentierung.

US-Finanzminister Paulson hat einen Rettungsplan für in Not geratene Banken entwickelt. Der Plan bedarf der Zustimmung des Kongresses und wird Gesetzesänderungen erforderlich machen. Das Ziel sei es, systemische Risiken an den Kapitalmärkten zu begegnen.

Der Lösungsvorschlag soll sich an dem Modell der Resolution Trust Corp. (RTC) orientieren. In den 80er Jahren wurde damit das Problem der "Savings and Loans" Krise entschärft. Dennoch kam es seinerzeit zu einer Vielzahl von Konkursen. Der Steuerzahler wurde mit circa 75 Mrd. USD belastet. Die risikobehafteten Aktiva wurden in einer vom Staat organisierten und geführten Zweckgesellschaft (Staatliches Institut mit begrenzter Dauer) gebündelt, um im Verlauf eine Ertrag schonende Abwicklung zu ermöglichen.

Das Volumen der damaligen Krise ist im Vergleich zur aktuellen Krise jedoch als klein zu beschreiben.

Wenden wir uns den erwarteten positiven Folgen dieser geplanten Maßnahmen zu. Mit dieser Zweckgesellschaft könnten sich Finanzinstitutionen von den Lasten verfehlter Politikansätze befreien und damit würde sich die Funktionalität an den Finanzmärkten verbessern. Vertrauen würde sich sukzessive verstärken und eine Kreditklemme wäre nur von kurzer Dauer. Die Realwirtschaft würde nur unmaßgeblich von den Verwerfungen in Mitleidenschaft gezogen werden. Alles würde gut!

Dieses positive Szenario bedarf einer kritischen Würdigung:
  • 1. Die Realwirtschaft hat die Früchte der Blasengestaltung in allen Formen genossen und bereitwillig und völlig kritiklos verarbeitet. Sie hat also den Nutzen davon getragen. Das Argument, jetzt die Realwirtschaft vor den Folgen der Fehler der Investmentbanker abzuschirmen, zieht also nicht!

  • 2. Die Unternehmen Lehman und Bear Stearns als auch Merrill sind Finanzhistorie. Nun kommt ein "Bailout"-Plan für die wirklichen Protagonisten (JP Morgan, Goldman, Citi, BoA) der Wall Street. Ergo steht eine Asymmetrie in der Behandlung der Finanzinstitutionen im Raum.

  • 3. Die finanziellen Folgen eines derartigen "Bailout"-Programms sind aktuell nicht seriös kalkulierbar. Sie werden aber massiv sein. Vor dem Hintergrund, dass aktuell das verfassungskonforme Budgetdefizit bei 640 Mrd. USD per 17.09.2008 liegt (Ende des Fiskaljahres per 30.09.2008) steht, ist die Reaktion an den Devisenmärkten als äußerst ambitioniert zu betrachten. Schlussendlich ist der Staat die Gesamtheit der Wirtschaftssubjekte. Diese Gesamtheit, die gebeutelt von Überschuldung ist, gibt sich jetzt also als Gesamtheit neuen Kredit zur Krisenbewältigung. Na, es ist schon klasse, wenn man so eine Finanz- und Zentralbankpolitik hat!

  • 4. Paulson hat die Notwendigkeiten neuer Gesetzgebung betont. Der ordnungspolitische Rahmen der freien Märkte steht zur Disposition. Manche am Markt feiern diese Einstellung als Pragmatismus. Das verwundert! Wer mit dem ordnungspolitischen Rahmen nach Gutsherrenart verfährt, setzt sich des Vorwurfs der Beliebigkeit aus. Beliebigkeit als Attraktiv einzuschätzen, überlassen wir anderen Finanzmarktteilnehmern. Diese hier im Raum stehende Beliebigkeit ist darüber hinaus Ausdruck einer Bevorzugung der Finanzinteressen der Wall Street, die ihre Verluste sozialisiert und mit dem aktuellen „Bailout“-Programm Macht konsolidieren kann. Handeln hat für diese "Player" nicht angemessene Folgen.

  • 5. Eine der wirklichen Ursachen der Krise, dass Finanzinstitutionen ungezügelt wachsen konnten („too big to fail“), wird unverändert nicht adressiert. Mithin bewegt sich die USRegierung mit dem aktuellen Programm im Bereich der Kosmetik und nicht der elementaren Ursachenbekämpfung.

Aktienmärkte und Devisenmärkte feiern damit ihre Entmündigung in einem System nicht mehr freier Märkte. Edelmetallhändler stimmen ein. Das Abstraktionsvermögen an den Finanzmärkten ist schon ausgeprägt, oder?

Wenden wir uns den gestrigen US-Veröffentlichungen zu. Einmal mehr bot sich ein gemischtes Bild, das in der Gesamtheit nicht überzeugen konnte.
  • Die Arbeitslosenerstanträge legten in der Berichtswoche unerwartet von 445.000 auf 455.000 zu. die Prognose war bei 440.000 angesiedelt.

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  • Die Frühindikatoren des "Conference Board" sanken per August um 0,5% (Prognose - 0,2%), nachdem es im Vormonat zu einem Rückgang um 0,7% gekommen ist.

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  • Der "Philadelphia Fed Survey" legte unerwartet von -12,7 auf +3,8 Punkte zu. die Subindices spiegelten diese Zunahmen nicht in entsprechender Amplitude.

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Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den Euro favorisiert. Erst ein Unterschreiten der Unterstützung bei 1.4050 neutralisiert den positiven Bias des Euros.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank




Hinweis GoldSeiten: Herrn Hellmeyer (u.a. Buchautor: Endlich Klartext) konnten wir für die am 7.+8.11.2008 in München stattfindende "Internationalen Edelmetall- & Rohstoffmesse" als Referenten gewinnen. Eine kostenlose Registrierung für die Messe ist ab sofort möglich.







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