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Deutsches BIP per 2. Quartal sensationell, ebenso die Aufwärtsrevision des ...

13.08.2010  |  Folker Hellmeyer
Deutsches BIP per 2. Quartal sensationell, ebenso die Aufwärtsrevision des 1. Quartals!

Der Euro eröffnet heute bei 1.2865 (07.35 Uhr), nachdem im gestrigen europäischen Handel Tiefstkurse der letzten 24 Handelsstunden bei 1.2782 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 86.10. In der Folge notiert EUR-JPY bei 110.75 während EUR-CHF bei 1.3505 oszilliert.

Das deutsche BIP ist laut erster Schätzung per 2. Quartal 2010 im Quartalsvergleich um 2,2% (Prognose 1,7%) gestiegen. Im Jahresvergleich stellte sich eine Zunahme um 4,1% (Prognose 2,4%) ein. Damit kam es zum stärksten Wachstum seit 1987. Investitionen, Exporte, Staatsausgaben als auch der private Konsum legten zu!

Das Vorquartal wurde von +0,2% auf +0,5% im Quartalsvergleich nach oben revidiert. Im Jahresvergleich ergab sich damit im 1. Quartal ein Anstieg um 2,1% (zuvor 1,7%). Das vierte Quartal wurde nach oben angepaßt, so daß nun die Kontraktion des BIP per Gesamtjahr 2009 nicht mehr bei -4,9%, sondern bei -4,7% liegt.

Die Reaktion am Devisenmarkt in der Parität EUR-USD war mit 30 Pips Ausdruck dafür, daß das Verständnis für ökonomische Sachverhalte offensichtlich heutzutage nicht sehr ausgeprägt ist. Stellen Sie sich mal vor, was passiert wäre, wenn das US-Zahlen gewesen wären. Hat der Finanzmarkt vielleicht eine Tendenz, auf einem Auge blind zu sein?

Dieser Datensatz ist sensationell. Das gilt nicht nur für das 2. Quartal, sondern auch für die Revision des 1. Quartals. Die positive Revision betrifft aber auch noch das Jahr 2009. Diese Daten belegen, daß die Mehrzahl der Ökonomen, Analysten als auch der Finanzmarkt die Erholung Deutschlands massivst unterschätzt haben. Wir bedauern das sehr und freuen uns andererseits, nicht Teil dieser Gruppe zu sein.

Noch mehr ist jedoch zu bedauern, daß die Eurozone nicht primär nach der Entwicklung des größten Landes in der Zone bewertet wird, sondern nach den Problemlagen der kleinsten Ländern, die aber bereits adressiert sind. Das war und das ist grotesk!

Natürlich ist das Tempo des 2. Quartals 2010 unter dem Aspekt zu bewerten, daß es durch den harten Winter eine Verschiebung von Teilen der wirtschaftlichen Aktivität vom 1. Quartal in das 2. Quartal gegeben hat. Fakt ist jedoch, daß die Gesamtbetrachtung des 1. Halbjahres 2010 unter Ausblendung dieser Verschiebung schlicht weg und ergreifend Ausdruck markanter ökonomischer Stärke ist.

Machen wir es einmal auf die amerikanische Tour, wir annualisieren das Wachstum! Die Schlagzeile lauetet dann: Deutsche Wirtschaft wächst mit 8,8% im 2.Quartal! Machen wir es europäisch, wir sind etwas bescheidener und nehmen das erste Halbjahr als Basis. Die Schlagzeile lautet dann: Deutsche Wirtschaft wächst mit 5,4% im 1. Halbjahr! Ach was, bleiben wir hanseatisch: Deutsche Wirtschaft wächst mit 2,2% im Quartalsvergleich!

Dieses Tempo ist Ausdruck für zwei wesentliche Tatsachen.
  • Erstens ist das deutsche Geschäftsmodell extrem erfolgreich. Wir sind engstens mit dem Zyklus der Weltwirtschaft verbandet. Was im letzten Jahr ein Nachteil war, wird nun zum Vorteil. Die Zeitraumbetrachtung (letzten 60 Jahre) bestätigt, daß dieses Geschäftsmodell äußerst tragfähig ist.

  • Zweitens bestätigen diese Zahlen unsere Annahmen über den Lagerzyklus und den Investitionsgüterzyklus, die beide übrigens bei weitem nicht abgeschlossen sind. Ergo sind die Zeichen weiter auf Expansion gestellt.

Daß das Tempo des zweiten Quartals voraussichtlich nicht gehalten werden kann, steht außer Frage. Das ist auch gut so, denn dieses Tempo paßt nicht zum deutschen Potentialwachstum und würde inflationären Druck erhöhen und damit mittelfristig Instabilität forcieren.

Vor dem Hintergrund des anhaltenden Lager-, des anspringenden Investitionsgüterzyklus als auch des sich abzeichnenden Konsumzyklus Rezessionsängste zu entwickeln, die derzeit am internationalen Finanzmarkt angefüttert werden und damit grassieren, ist absurd.

Der frühere Fed Gouverneur Mishkin sagte, daß es zu früh sei, den Tod des Euros zu thematisieren. Es gäbe eine Reihe von Vorteilen, die der Euro hat. Dieses Thema wollen wir aufnehmen. Bisher werden uns aus London und NY, aber auch von einigen Kollegen aus der Eurozone latent einseitig die Nachteile des Euros aufgezeigt.

Diese Nachteile gibt es. So fehlt die politische Einigung. Es fehlt an Koordination in der Wirtschaftspolitik. Es gab zu viel "Laissez faire" in Südeuropa. Politische Erwägungen dominierten wirtschaftliche Fakten. Es fehlt Steuerharmonisierung und dann ist da auch noch die Slowakei, die sich der Griechenlandhilfe verweigert und dabei vergißt, wie viel Kohäsionshilfe in das eigene Land geflossen ist. Handeln hat Konsequenzen rufen wir der Slowakei zu. Man sieht sich mindestens zweimal. Die Slowakei ist Mitglied der Eurozone, es gibt aber wohl kein anderes Land, das in der Zone isolierter ist. Schlußendlich ist es übrigens nur schmerzhaft, wenn man von hohen Rössern fällt!

Was sind die Vorteile der Eurozone. Zunächst fangen wir bei den der Frage der Selbstbestimmung an. Die aktuelle Form auf Basis der Nationalstaaten erhält das kulturelle Erbe Europas. Es gibt in diesem Rahmen ein hohes Maß an Selbstbestimmung und Subsidiarität. Die Krise Südeuropas hat die Eurozone gezwungen, das erste Mal markant zu intervenieren. Die Krise war damit ein Katalysator für eine neue Stringenz. Das ist positiv. Fehlentwicklungen werden fulminant adressiert. Die Lernkurve dieser Krise wird sein, daß der "laissez faire" Ansatz von gestern Geschichte ist. Ein weiterer Vorteil ist, daß die thematisierten Nachteile in das Bewußtsein gerückt wurden und damit einer Lösung zu geführt werden. Ob dort am Ende eine europäische Wirtschaftsregierung oder ein tragfähiger Kompromiß steht, ist nicht von primärer Bedeutung. Von Bedeutung wird sein, daß Funktionalitäten verbessert sein werden.

In der Tat gibt es vor diesem Hintergrund keine Veranlassung, den Abgesang für den Euro heute oder morgen anzustimmen, oder?

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den Euro gegenüber dem USD favorisiert. Ein nachhaltiges Unterschreiten der Unterstützungszone bei 1.2770-1.2800 neutralisiert den positiven Bias.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank





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