Suche
 
Folgen Sie uns auf:

Verteidigungsstrategie der EUR-Shortpositionen geht in nächste Runde

22.06.2012  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute (07.45 Uhr) bei 1.2560, nachdem im Verlauf der letzten 24 Handelsstunden Höchstkurse im europäischen Handel bei 1.2698 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 80.45. In der Folge notiert EUR-JPY bei 101.05, während EUR-CHF bei 1.2010 oszilliert.

Wir haben gestern einen Erklärungsansatz thematisiert, warum derzeit weit überwiegend positiv überraschende Meldungen oder Entwicklungen aus der Eurozone oder Meldungen und Entscheidungen, die geeignet sind, Risikoaversion zu mindern, konträre Wirkungen an den Märkten erzielen.

Der Tenor lautete, dass es sich um eine Verteidigungsstrategie für die historisch hohen Positionen gegen den Euro und die Risikoaktiva der Eurozone handelt. Die Taktik folgt folgendem Muster. Bevor nachhaltige positive Marktwirkung hinsichtlich der gegebenen Nachrichtenlage erzielt wird, wird die Marktbewegung im Keim erstickt und somit der realen Entwicklung keine Traktion im Sinne einer sachlichen Diskontierung ermöglicht.

Derartige Aktionen setzen grundsätzlich Absprachen zwischen potenten Marktteilnehmern voraus (kartellrechtlich mehr als anfechtbar!). Auch in der EWS-Krise 1992 kam es bei dem Zerlegen des EWS exakt zu derartigen Absprachen der potenten Investmentbanken an den Plätzen London und NY (Telefonkonferenzen der Chefhändler, welches Land, welcher Modus, "Marktmacht LDN/NY“ gegen einzelne Zentralbank etc.).

Gestern wurden die nächsten impliziten Belege für unseren Erklärungsansatz geliefert. Bezüglich der Details verweisen wir auf die Rubrik „Letzte Nachrichten“:

  • Eine starke Entspannung bei den Risikoaufschlägen der Reformländer wurde am Devisenmarkt als auch am Aktienmarkt ignoriert.
  • Die Kapitallücke der spanischen Banken fällt deutlich geringer aus, als bisher antizipiert.
  • Der EFSF ist in der Lage, kurzfristig für Spanien Kapital zu liefern, ohne in zeitlicher Nähe großteilig den Markt anzapfen zu müssen.
  • Das Thema Griechenland wird von der Troika zügig angegangen.
  • Das Bewusstsein, dass der Gipfel der EU-Regierungschef nicht scheitern darf, ist ausgeprägt.
  • Der IWF gibt ein paar Ratschläge, die durchaus als Richtung weisend eingestuft werden können. Das gilt vor allen vor dem Hintergrund, dass die Regierungschefs der beteiligten EU-Staaten bei dem G-20 Gipfel versprachen, alles zu tun, die Krise in den Griff zu bekommen.

An dieser Stelle ist Blauäugigkeit der Politik, der Zentralbanken und sachlich orientierter Analysten und Volkswirte im höchsten Maße fehl am Platz. Das Endspiel für Europa erfordert mindestens, dass man das Schlachtfeld nüchtern erkennt.

Es freut uns sehr, dass gestern publik wurde, dass die EZB erwägt, sich von den Urteilen der Ratingagenturen zu emanzipieren und mit einem eigenen Expertengremium die Werthaltigkeit der Aktiva/Länder zu analysieren.

Die latente Art und Weise der Agenturen, die europäischen Reformländer im Prozess der Reformen, der Kapitalmarktunfähigkeit oder nahen Kapitalmarktunfähigkeit anzudienen, und damit den Reformprozess durch daraus folgenden Kapitalentzug der Märkte zu unterminieren, macht diesen potentiellen Schritt meines Erachtens erforderlich.

Zum Hintergrund:

Erst wurden von den Agenturen Reformen gefordert. Ansonsten würden die Länder herabgestuft. Dann wurden Reformen seitens der europäischen Reformländer geliefert, die als signifikant eingestuft werden müssen und eben nicht dem Kosmetikansatz der USA entsprechen. Derartige Reformen haben grundsätzlich eine temporär höhere Staatsdefizitquote zur Folge. Diese Entwicklung dann zu nutzen, um die Länder abzustrafen in die Kapitalmarktunfähigkeit, ohne Berücksichtigung der Reformen auf das Geschäftsmodell (Erhöhung Potentialwachstum) und Berücksichtigung gegebener Abschirmung bei gleichzeitiger Ignoranz aggressiver Neuverschuldung in den USA, Japan und UK impliziert nicht nur eine sachliche Agenda, sondern drängt einen politischen Beigeschmack auf.

Heute entfällt der Diskurs über die Wirtschaftsdaten des gestrigen Tags in der gewohnten Tiefe. "Markit“ schreibt Deutschland in die Rezession. Die Eurozone kommt etwas besser weg als im Vormonat. Die Leistungsbilanz der Eurozone ist weiterhin erfrischend aktiv. Die USA lieferten ein divergentes Bild. Die Frühindikatoren legten um 0,3% zu. Die Arbeitslosenerstanträge fielen etwas höher aus. Der Philadelphia Fed Index brach von -5,8 auf -16,6 Punkte ein.

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den USD gegenüber dem EUR favorisiert. Ein nachhaltiges Überwinden des Widerstandsfelds bei 1.2820 - 50 neutralisiert den negativen Bias des Euros.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank



Hinweis: Meinungen oder Empfehlungen geben die Einschätzung des jeweiligen Verfassers wieder und stellen nicht notwendigerweise die Meinung der Bremer Landesbank oder deren assoziierter Unternehmen dar. Sie können sich jederzeit ohne vorherige Ankündigung ändern. Die hier enthaltenen Aussagen sind nicht als Angebot oder Empfehlung bestimmter Anlageprodukte zu verstehen. Dies gilt auch dann, wenn einzelne Emittenten oder Wertpapiere erwähnt werden. Hier enthaltene Informationen können auf die individuellen Verhältnisse des Anlegers abgestellte, kundenspezifische und objektorientierte Beratung nicht ersetzen. Bitte setzen Sie sich deshalb mit Ihrem bei der Bremer Landesbank zuständigen Berater in Verbindung.



Bewerten 
A A A
PDF Versenden Drucken

Für den Inhalt des Beitrages ist allein der Autor verantwortlich bzw. die aufgeführte Quelle. Bild- oder Filmrechte liegen beim Autor/Quelle bzw. bei der vom ihm benannten Quelle. Bei Übersetzungen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Der vertretene Standpunkt eines Autors spiegelt generell nicht die Meinung des Webseiten-Betreibers wieder. Mittels der Veröffentlichung will dieser lediglich ein pluralistisches Meinungsbild darstellen. Direkte oder indirekte Aussagen in einem Beitrag stellen keinerlei Aufforderung zum Kauf-/Verkauf von Wertpapieren dar. Wir wehren uns gegen jede Form von Hass, Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde. Beachten Sie bitte auch unsere AGB/Disclaimer!




Alle Angaben ohne Gewähr! Copyright © by GoldSeiten.de 1999-2024.
Die Reproduktion, Modifikation oder Verwendung der Inhalte ganz oder teilweise ohne schriftliche Genehmigung ist untersagt!

"Wir weisen Sie ausdrücklich auf unser virtuelles Hausrecht hin!"