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Gute Euro-Daten ignoriert - Wir diskutieren "Spin"!

16.08.2010  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute bei 1.2795 (07.05 Uhr), nachdem im asiatischen Handel Tiefstkurse der letzten 24 Handelsstunden bei 1.2735 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 85.80. In der Folge notiert EUR-JPY bei 109.75 während EUR-CHF bei 1.3420 oszilliert.

Der Begriff "Spin" hat in der modernen Welt eine hohe Bedeutung. Wir erinnern uns an die Regierung Tony Blair, die sich einen "Spin-Master" leistete, um Blairs Außenpolitik bezüglich des Irak durchzusetzen.

"Spin" muß in Richtung Interpretationsgewalt wahrgenommen werden. Dabei darf dann auch mal unsachlich oder sogar falsch dargestellt werden. Es geht häufig um die Durchsetzung politischer Ziele, die der Öffentlichkeit schmackhaft gemacht werden sollen. Die Öffentlichkeit ist schlußendlich auch der Finanzmarkt.

Wir haben bei uns im Finanzmarkt sehr viel "Spin"! Wegen des "Spin" kam es zur größten Finanzkrise seit 1929-1932. Gutgläubig oder auch dumm wurde den Protagonisten der Investmentbankszene auf ihren Verkaufsveranstaltungen geglaubt. Alle fühlten sich wohl mit diesem "Spin", bis sich dieser "Spin" als größter Etikettenschwindel der Neuzeit erwies!

Seit circa 10 Monaten gibt es erneut einen aggressiven "Spin", der dazu führte, daß wesentliche Trends an den Märkten umgekehrt (Euro), unterdrückt (Aktien) oder prolongiert (Renten AAA) wurden.

Die "Spin-Master" aus London und NY, als auch vereinzelt aus Europa prognostizierten unter lautem Getöse losgelöst von Untersuchungen zum US-Kapitalstock (siehe Treasury Aktuell IG-Zyklus) und weiteren strukturellen Verwerfungen, die in einem sachlichen Zusammenhang zum Potentialwachstum stehen, wie folgt:
  • Die US-Wirtschaft wird die erste Ökonomie sein, die sich nachhaltig aus der Rezession befreit!
  • Die US-Fed wird die erste Zentralbank sein, die nachhaltig Zinsen anhebt.
  • Der "Musterknabe" (unsere Interpretation - sachlich nicht anfechtbar!) unter den G-3 in der Neuverschuldung per 2009, die Eurozone, wird an dem Staatsschuldenthema zerbrechen.

Alle drei dieser Themen, die ein breites Echo fanden, haben sich ins Gegenteil verkehrt. Die Stimmen, die die sich sachlich der Thematik widmeten und sich gegen diesen "Spin" wehrten (BLB Jahresausblick), blieben in der Diskontierung der Märkte weitestgehend ungehört. Wir kennen das hier in Bremen übrigens schon bezüglich der US-Immobilienkrise … Es gibt großen "Spin", der zuvor thematisiert wurde und es gibt kleinen "Spin", der jetzt thematisiert wird.

Am Freitag kamen Wirtschaftsdaten der Eurozone heraus, die so weit vom Konsensus entfernt waren, daß man hier von einer markanten Anomalie sprechen muß.

Hier handelte es sich um eine positive Anomalie, die grundsätzlich verstärkte Neuausrichtung der Portfolien hätte erzwingen müssen auf Basis der normativen Kraft des Faktischen.
  • Das deutsche Wachstum mit +2,2% (plus Aufwärtsrevision des 1. Quartals) im Quartalsvergleich gehört dazu.

  • Das unerwartet positive Wachstum in Frankreich bei 0,6% (plus Aufwärtsrevision des 1. Quartals) reiht sich ein. Übrigens reüssierte Frankreich mit deutlich weniger Kontraktion per 2009, so daß das im Vergleich zu Deutschland weniger dynamische Wachstum nur unter diesem Aspekt interpretierbar ist.

  • Griechenlands Kontraktion fiel mit 1,5% stärker aus, als es Analysten unterstellten. Das darf nicht nur, nein, es muß als Ausdruck einer zügigeren Anpassung interpretiert werden. Unwirtschaftliche durch Ineffizienzen gestärkte Bereiche fallen zügig. Das ist gut so, damit wird der Wirtschaftskrebs schneller besiegt. Dieser kausale Zusammenhang ist dem Finanzmarkt offensichtlich nicht bewußt. Der Finanzmarkt versteht heute leider nur noch etwas von Symptomen und schert sich nicht um die Begrifflichkeiten Anlaß oder Ursache. Das Unverständnis über Grundzusammenhänge in der Wirtschaft ist heute als äußerst ausgeprägt zu bezeichnen. Das gilt übrigens insbesondere für Profis! Rezessionen im Rahmen von Reformen müssen nachhaltig sein, da sie ansonsten nicht die Fehlentwicklungen beseitigen. Die US-Rezession von 2002/2003 führte zu keinen nennenswerten strukturellen Anpassungen, weder bei der Rückführung der privaten, noch der Unternehmensverschuldung und war und ist damit Grundlage für die aktuellen Verwerfungen. Nein, Europa geht Gott sei dank einen anderen Weg. Was für Griechenland gilt, gilt auch für Spanien, das sogar trotz Reformen mit einem Wachstum, von 0,2% aufwartete.

  • Insgesamt reüssierte die Eurozone mit einer Zunahme um 1,0% im Quartalsvergleich. Das war konjunktureller Champagner, während ein Weißwein erwartet wurde!

Der Finanzmarkt hat sich jedoch in der Diskontierung nicht auf diese bahnbrechenden neuen Erkenntnisse fokussiert, sondern darauf, daß Griechenland schneller als erwartet Kontraktion zeigt (Erklärung zuvor, was für ein Unverständnis über Reformen/Zyklik …) und daß die Auktion von Staatspapieren in Italien in der Folge der GR Interpretation nicht so rund lief, wie zuvor antizipiert.

Nun ja, die EZB tritt nur im Notfall auf und nicht wie die Fed, die latent das Gelingen dieser Auktionen in den USA gewährleistet und damit latent politische Preise liefert. Was ist wohl besser und paßt zumindest noch ansatzweise zum Konzept freier Märkte?

Fakt ist, daß Nebenschauplätze schlußendlich den Blick für das Wesentliche vernebelten. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist "Spin"!

Die Fed sollte laut Kansas City Fed Präsident Hoenig Zinsen erhöhen und die Nullzinspolitik beenden. - Nun ja, das sollte sie wohl unter dem Aspekt einer notwendigen Stabilitätspolitik. Außer Herrn Hoenig will das aber keiner, weil ohne diese Hilfe als auch der US- Budgetdefizite in Höhe von 10% des BIP die US-Wirtschaft sofort in eine massive Kontraktion zurückfallen würde. Auch zinsfreies Geld sei nicht kostenlos. - Das ist absolut wahr. Die Kosten des zuvor billigen Geldes unter Greenspan werden ja gerade erlebt.

Es ist an der Zeit, den Leitzins in Richtung 1% zu bewegen, die 2% Marke sei ein langfristiges Ziel. - Das wäre richtig, aber es wird nicht vollzogen!

Das US-Wachstum würde im weiteren Verlauf des Jahres bei durchschnittlich 3% liegen. - Nun ja, es ist wie bei Olympia, gedopt läufts halt ein bißchen runder. Der Preis ist dann halt verspätet zu bezahlen. Doping erhöht nicht notwendig die Lebenserwartung - alles hat seinen Preis! Die aktuelle Erholung sei besser als die Erholungen nach den letzten beiden Rezessionen. - Da widerspreche ich vehement. Keine Erholung war in den USA begleitet von so viel Subventionen, seien es real negative Zinsen oder Budgetdefizite. Dieser Erholung ist sowohl qualitativ als auch quantitativ (z.B. Arbeitsmarkt) die schwächste Erholung in der Geschichte der USA!


Wenden wir uns den weiteren Veröffentlichungen vom letzten Freitag zu:

Die Handelsbilanz der Eurozone überraschte positiv per Juni mit einer Zunahme um 2,4 Mrd. Euro. Die Prognose lag bei -0,3 Mrd. Euro. Der Vormonatswert wurde von -3,4 auf -3,3 Mrd. Euro revidiert. Das Bild des Charts zeichnet die letzten Monate ein ausgewogenes Bild.

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Die Daten aus den USA setzten überwiegend leichte positive Akzente:

Die Verbraucherpreise legten per Juli im Monatsvergleich um 0,3% zu. Im Jahresvergleich stellte sich ein Anstieg um 1,3% nach zuvor 1,1% ein.

Die Einzelhandelsumsätze nahmen per Juli im Monatsvergleich um +0,4% zu. die Prognose lag bei +0,5%. Der Vormonatswert wurde von -0,5% auf -0,3% revidiert. Ergo war das Gesamtergebnis der Zweimonatsperiode etwas besser als erwartet. Im Jahresvergleich lag der Anstieg bei 5,5% nach zuvor 5,2% (nicht preisbereinigt). Der Chart belegt, daß die USA sich in diesem Sektor (nicht preisbereinigt) unverändert auf mäßigem Niveau bewegen.

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Das Verbrauchervertrauen nach Lesart der Uni Michigan lieferte im vorläufigen Bericht per August einen Anstieg von zuvor 67,8 auf 69, 6 Punkte (Prognose 69,3). Sowohl die Bewertung der aktuellen Lage mit 78,3 nach 76,5 Zählern als auch die Erwartungskomponente mit 64,1 nach 62,3 trugen zu dieser Entwicklung bei.

Der Blick auf den Chart verdeutlicht, daß der Anstieg kein großer Wurf ist. Er ist aber fraglos positiv einzuwerten.

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Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das zunächst eine neutrale Haltung in der Parität EUR-USD favorisiert. Ein nachhaltiger Ausbruch aus der Bandbreite 1.2500 - 1.2930 eröffnet neue Dynamik.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank





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