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US-Arbeitsmarktbericht rätselhaft - Bernanke auf dem Pfad der Bremer Landesbank

07.02.2011  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute morgen bei 1.3610 (06.30 Uhr), nachdem Tiefstkurse der letzten 24 Handelsstunden im US-Handel bei 1.3546 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 82.20. In der Folge notiert EUR-JPY bei 111.90, während EUR-CHF bei 1.2980 oszilliert.

Eingedenk dessen, dass der Forex-Report am Freitag ausgefallen ist und am Donnerstag Herr Trichet den Markt mit seinen als moderat empfundenen Einlassungen zu der Inflationsentwicklung enttäuschte, ist diesbezüglich eine Kommentierung erforderlich.

Unsere Haltung zur EZB ist loyal und wir sehen in der Ausrichtung der EZB-Politik grundsätzlich weiterhin die Grundsätze der Stabilitätspolitik gewährleistet. Das ist und bleibt im Konzert der Fed. der BoJ und der BoE erfrischend.

Bei der aktuellen Würdigung muss berücksichtigt werden, dass die globale Krisenbekämpfung eine homogene Antwort auf G-30 Ebene erforderte, um die aktuelle Stabilität und die globale Konjunkturerholung zu ermöglichen. Daraus ergibt sich derzeit im vierten Jahr der Krise ein Umstand, dass Alleingänge einzelner wichtiger Länder/Regionen unverändert nicht opportun sind, um diese globale Solidarität nicht zu gefährden.

Es bleibt bei dem unterliegenden Tenor "Failure is no option". Das gilt auch für die Eurozone, die im letzten Jahr mit Hilfe des IWF und damit der internationalen Gemeinschaft ein virulentes Problem bislang erfolgreich meisterte. Der Euro hatte und der USD hat das Potential bei zu aggressiver Abwertung ein systemisches Risiko zu begründen.

Die Abwertung des USD gegenüber dem Euro innerhalb der letzten Wochen war markant. Eine verschärfte Rhetorik bezüglich eines zügigen Ausstiegs der EZB aus der Niedrigzinspolitik könnte/kann dem USD gefährlich werden. Dieser Zusammenhang ist voraussichtlich der wesentlichste Katalysator für die aktuelle verbale Gangart der EZB. Der übergeordneten globalen Stabilitätspolitik wird der regionale Aspekt ein kleines Stück weit untergeordnet.

Trotz dieses grundsätzlichen Verständnisses bezüglich des übergeordneten Rahmens bleibt anzumerken, dass es uns aus unserer globalen Konjunkturanalyse gemäß dem Jahresausblick 2011 schwer fällt, die Antizipation der EZB eines niedrigeren Preisniveaus per Jahresende 2011 nachzuvollziehen. Wir nehmen diese Sichtweise zur Kenntnis und fragen uns, ob die Stabprojektionen der EZB in den vergangenen 18 Monaten über die Preisentwicklung eintrafen oder latent nachgebessert werden mussten?

Fakt ist losgelöst von der aktuellen Verbalakrobatik der EZB, dass Zinserhöhungen der EZB auf der Agenda stehen. Unternehmen reden weltweit von Kapazitätsengpässen auf Struktur- und Arbeitsmarktebene. Genau das sind die Katalysatoren endogener Inflation. Die Rohstoffseite liefert den Einfluss von exogener Seite. Weltwirtschaftliches Wachstum von deutlich mehr als 4% impliziert fortschreitende inflationäre Risiken. Langfristiges Herauszögern einer Veränderung der Zinspolitik mag in den USA opportun sein. Für eine realitätsnahe Politik in Europa sollte eine intelligentere Haltung ob der Nachhaltigkeit der Stabilitätspolitik dominieren.

Wenden wir uns dem US-Arbeitsmarktbericht per Januar zu. Die Arbeitslosenquote brach von 9,4% auf 9,0% ein. Die Prognose lag bei 9,5%. Hintergrund ist, dass die Partizipationsrate am US-Arbeitsmarkt von 64,3% auf 64,2% sank. Per September 2010 lag diese Rate noch bei 64,7%. Wir schauen gerne auf die alternative Berechnung auf dem "Table A-15" bei dem Bureau of Labor Statistics. Diese Quote, die der europäischen Berechnungsmethode nahekommt, lieferte einen Rückgang der Arbeitslosenquote von 16,7% auf 16,1% auf saisonal bereinigter Basis. Saisonal unbereinigt ergab sich ein Anstieg dieser Quote von 16,6% auf 17,3% (Wintereffekt).

Der "Nonfarm Payroll Report" stand im Mittelpunkt des Interesses. Hier kam es zu einem Stellenaufbau um nur 36.000 Jobs. Die Prognose lag bei 146.000 neu geschaffenen Stellen. Positiv anzumerken ist, dass die beiden Vormonate nach oben revidiert wurden. So lag der Stellenzuwachs per November nicht wie bisher bei 71.000, sondern bei 93.000 Jobs, während der Dezemberwert von 103.000 auf 121.000 angepasst wurde. Diese Tendenz positiver Revisionen passt in den US-Datenpotpourri der letzten Monate.

Der beigefügte Chart verdeutlicht noch einmal die schwache Verfassung des US-Arbeitsmarkts im Rahmen dieser statistischen Erfassung des BLS.

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Insgesamt war das Ergebnis enttäuschend. Das gilt um so mehr, als dass andere maßgebliche Arbeitsmarktdaten ein deutlich anderes Bild liefern. Wir erlauben uns eine kleine Zusammenstellung:
  • 1. Laut dem ADP Employment Survey wurden in der Privatwirtschaft im Januar 187.000 neue Jobs geschaffen (BLS 50.000).

  • 2. Der Beschäftigungsindex des ISM-Index für das produzierende Gewerbe lieferte per Januar 2011 mit 61,7 Punkten den höchsten Wert seit Mai 2004 (61,9).

  • 3. Der Beschäftigungsindex des ISM-Dienstleistungsindex markierte per Januar 2011 den höchsten Stand seit Juni 2007.

Hier stellt sich die Frage, wie es zu dieser Divergenz kommt. Grundsätzlich halten wir die Einlassungen befragter Einkaufsmanager für aussagekräftig (wie bei dem IFO-Index). In den vergangenen Jahren haben wir uns ob der Datenqualität aus den USA seitens staatlich organisierter Stellen skeptisch gezeigt und die wunden Punkte offengelegt (unter anderem sehr explizit in dem Buch "Endlich Klartext"). Die wesentlichen US- Daten wurden grundsätzlich geschönt, nennen wir es den "Moskau 85" Erinnerungseffekt.

Vor dem Hintergrund der dargestellten Divergenz stellt sich die Frage, ob es auch zu einer Kreativität kommen kann, Arbeitsmarktdaten unattraktiver zu gestalten?

Ben Bernanke ignoriert derzeit bei der Ausrichtung der Zins- und der Geldpolitik zunehmend überraschend positive Daten der Gesamtkonjunktur und besteht auf einer Fortführung der quasi Nullzinspolitik. Als Begründung fügt er an, dass diese Politik gerechtfertigt ist, so lange der Arbeitsmarkt nicht anspringt. Ergo wird die positive Gesamtentwicklung in weiten Teilen der US-Wirtschaft in der Bewertung der Inflationsrisiken vollständig ausgeblendet und man fokussiert sich im Offenmarktausschuss solitär auf den Arbeitsmarkt, dessen offizielle BLS-Daten in den letzten drei Monaten latent enttäuschten und im Gegensatz zu den weiteren Daten des US-Arbeitsmarkts standen.

Eine solche Haltung fällt aus der Norm durchschnittlichen Zentralbankverhaltens. Es handelt sich um eine Anomalie. Anomalien gibt es nicht ohne Grund. Implizit drängt sich der Eindruck auf, dass die USA eine Veränderung der aktuellen Ausrichtung der Zins- und Geldpolitik nach Möglichkeit verhindern wollen. Hier schließt sich der Kreis zu unserer Interpretation der jüngsten Einlassungen der EZB. "Food for thought!"

Wir freuen uns, dass Herr Bernanke in wesentlichen Punkten unseren an dieser Stelle geäußerten Sichtweisen bezüglich der Schuldenpolitik der USA am Freitag laut und vernehmlich zustimmte. Wir sind lediglich erstaunt, wie viel Zeit vergehen musste, bis diese Erkenntnisgewinnung realisiert wurde. Kommen wir zu seinen "Statements" vom letzten Freitag, die jedoch ohne maßgebliche Marktwirkung waren:

  • Fed warnt vor "katastrophaler" Schuldenkrise der USA ("Chapeau" - spät, aber nicht zu spät) …Ab einem gewissen Punkt wären die Vereinigten Staaten in einer Position, in der sie nur noch den Staatsbankrott erklären könnten …
  • Schuldenlimit muss kurzfristig erhöht werden (das ist wohl so …)
  • Langfristig ist aber glaubwürdiger Sparkurs essenziell (warum "aber"?)
  • Fed-Chef: Unterstützung für Wirtschaft bleibt nötig (das stimmt in Teilen)
  • Arbeitsmarkt ist wohl noch lange nicht, wo er sein sollte (siehe oben)

Dem ist sachlich zunächst nichts weiter hinzuzufügen.

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den Euro gegenüber dem USD favorisiert. Ein Unterschreiten der Unterstützungszone bei 1.3210 - 1.3240 neutralisiert den positiven Bias.


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank





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