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Klartext von Frau Christine Lagarde - Thema Inflation …

16.02.2011  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute morgen bei 1.3530 (07.35 Uhr), nachdem Tiefstkurse der letzten 24 Handelsstunden im europäischen Handel bei 1.3462 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 83.65. In der Folge notiert EUR-JPY bei 113.25, während EUR-CHF bei 1.3030 oszilliert.

Die französische Wirtschaftsministerin Lagarde sagte am Montag, dass Frankreich, das gegenwärtig den Vorsitz der G-20 Veranstaltung innehat, helfen werde, das unilaterale auf USD basierte globale Finanzsystem in ein multilaterales Währungssystem zu überführen. Das deckt sich mit unseren seit langem gehegten Erwartungen (siehe "Endlich Klartext"). Wir freuen uns, dass Frau Lagarde die Zeichen der Zeit erkennt und benennt. Der Anteil der US-Wirtschaft an der Weltwirtschaft geht latent zurück und damit nimmt faktisch die Fähigkeit der USA ab, mit ihrer Währung USD das Weltfinanzsystem zu unterstützen oder zu dominieren. Kurzfristige und abrupte Anpassungen stehen nach unserem Verständnis jedoch nicht auf der Agenda, sondern ein sukzessiver Prozess, der für alle Teilnehmer evolutionäre Veränderungen mit sich bringt. Das schont die Strukturen und verhindert Kollateralschäden.

Das Thema Inflation steht faktisch seit mindestens 12 Monaten im Raum. Nachdem wir darüber diverse Male frühzeitig und analytisch korrekt ohne nennenswertes Medienecho (danke …) berichteten und klar Stellung bezogen (u.a. Dow Jones Umfrage), ergibt sich eine ernste Wahrnehmung des Themas Inflation seitdem einige Chefvolkswirte der Bankenaristokratie dieses Thema im Januar erkannten und thematisierten. In Bremen sagen wir dazu: Spät, vielleicht sogar sehr spät, aber natürlich nicht zu spät, wir sind ja nett …

Gestern haben unsere Freunde in Großbritannien per Januar gemeldet, dass ihre Verbraucherpreise von 3,7% auf 4,0% angezogen sind. Damit liegt die Inflation um 100% oberhalb des Ziels von 2%. Bei einem Leitzinssatz von 0,50% ist das schon eine sportliche Kaufkraft "Burnrate".

Hat die Bank of England oder die Prognoseelite diese Entwicklung in den letzten Monaten erwartet? Nein, es ist für diese Profis eine unerwartete Entwicklung der Erosion der Kaufkraft. Grundsätzlich ist eine solche Erosion übrigens nicht gut und wird entsprechend mit Abverkäufen dieser Währung begleitet.

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Unsere Freunde am Devisenmarkt meinten, diese "Burnrate" mit einem Anstieg des GBP abfeiern zu müssen. Wir nehmen derartige antiautoritäre Eskapaden zur Kenntnis. Wahrscheinlich wird heute morgen der Einbruch des britischen Verbrauchervertrauens per Januar von 54 auf 47 Punkte auch noch mit weiteren Befestigungen des GBP goutiert.

"What a funny old world!” Wie sagten noch die drei Hexen im Drama Macbeth von Shakespeare: "Foul is fair and fair is foul!" Die Geschichte ging übrigens weder für Macbeth noch Lady Macbeth gut aus, nachdem zuvor natürlich viel "Porzellan" zerschlagen wurde. So ist es auch ultimativ mit antiautoritären Eskapaden am Finanzmarkt. Man kann von Literatur durchaus lernen.


Wenden wir uns den gestrigen Veröffentlichungen zu:

Der deutsche ZEW Sentimentindex legte per Februar von zuvor 15,3 auf 15,7 Punkte zu und markierte damit den höchsten Stand seit Juli 2010. Die Prognose lag bei 20,0 Zählern. Sie wurde klar verfehlt.

Der Index, der die aktuelle Lage bewertet, setzt jedoch einen deutlichen positiven Akzent mit einem unerwarteten Anstieg von 82,8 auf 85,2 Punkte (Prognose bei 83,0), dem höchsten Niveau seit Mitte 2007.

In diesem Index werden Finanzanalysten befragt. Das ist durchaus riskant. Die fallende Sentimentkurve bis Oktober 2010 steht in keinem wirklich sinnvollen Zusammenhang zu dem latenten Anstieg der Bewertung der aktuellen Lage von Januar 2010 bei -56,6 auf +85,2 Zähler. So etwas ist Ausdruck einer unterentwickelten Antizipationskraft und Prognosefähigkeit der Befragten.

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Wir hatten gestern bereits darauf hingewiesen, dass die erste Schätzung des Wachstums der Eurozone per 4. Quartal 2010 eine leichte Enttäuschung bergen kann. Das war dann auch so. Das Wachstum stellte sich im Quartalsvergleich auf 0,3% (Prognose 0,4%). Im Jahresvergleich ergab sich eine Zunahme um 2,0% (Prognose 2,1%).

Für eine Region, die sich in Teilen reformiert und von einem frühen Wintereinbruch heimgesucht wurde, ist das Ergebnis kein Beinbruch! Im Gegenteil muss die vergangene Schwäche des BIP in den Reformländern als Gesundungsprozess klassifiziert werden, der nachhaltiges Wachstum in absehbarer Zeit begründet.

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Die Handelsbilanz der Eurozone lieferte per Dezember einen Fehlbetrag in Höhe von 0,5 Mrd. Euro (Prognose +1,0 Mrd.). Der Blick auf den Chart verdeutlicht, dass sich die Handelsbilanz in einer ausgewogenen Gesamtsituation befindet. Das ist ein durchaus erheblicher Unterschied zu den USA.

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Kommen wir zu den USA:

Die Importpreise setzten ein markiges Ausrufezeichen, das definitiv nicht in Einklang mit wenig Inflation zu bringen ist.

Per Januar kam es im Monatsvergleich zu einer Zunahme um 1,5% (Prognose 0,8%). Der Vormonatswert wurde von 1,1% auf 1,2% nach oben revidiert. Im Jahresvergleich ergab sich ein Anstieg um 5,3% nach zuvor 5,1%.

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Der "NY Empire State Manufacturing Survey" bestätigte einmal mehr, dass der Bereich der US-Wirtschaft, der eng mit der Weltwirtschaft korreliert ist, gut läuft. Per Februar legte der Index von revidiert 11,9 auf 15,4 Zähler zu. Die Prognose lag bei 15,0 Punkten.

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Die Einzelhandelsumsätze verfehlten die Erwartungen mit einem Plus von 0,3% per Januar (Prognose +0,6%). Der Trend ist jedoch unverändert positiv. Es kam im Jahresvergleich zu einem anstieg um 7,7% nach 7,6% (nicht inflationsbereinigt) bei einer Sparquote in den USA von mehr als 5%. Das passt schon …

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Die US-Lagerbestände verzeichneten per Dezember einen Anstieg um 0,83% nach zuvor 0,35% (revidiert von 0,2%). Die Prognose lag bei 0,7%. Lageraufbau ist weiter erforderlich, weil die Lager global unverändert nicht angemessen bestückt sind.

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Der "NAHB Housing Market Index" verharrte per Februar bei 16 Punkten und bewegt sich damit weiterhin auf sehr rezessiven Terrain.

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Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den Euro gegenüber dem USD favorisiert. Ein nachhaltiges Unterschreiten der Unterstützungszone bei 1.3210 - 1.3240 neutralisiert den positiven Bias.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank





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