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Der Markt schaut durch die aktuelle Krise hindurch

21.03.2011  |  Eugen Weinberg
Energie

Nach einer Woche gebannter Blicke auf die Situation nach dem Erdbeben in Japan scheint sich der Fokus des Marktes wieder auf den Nahen Osten und Nordafrika zu richten. Insbesondere bleibt die Lage in Libyen nach den Bombenangriffen der NATO auf die Stellungen Gaddafis angespannt. Zwar hatten die Ölfelder in Libyen bislang offensichtlich die Unruhen unbeschadet überstanden. Jedoch ist deren baldige Rückkehr auf den Weltmarkt unwahrscheinlich, was die Preise längerfristig unterstützen dürfte.

Auch sorgen die Proteste in Oman und Bahrain für anhaltende Unsicherheit am Ölmarkt. Der Optimismus der Anleger für den Ölpreis bleibt aktuell sehr hoch. So sind die Netto-Long-Positionen der Anleger an der NYMEX in der Woche zum 15. März um 22,9 Tsd. Kontrakte zurückgefallen, bleiben allerdings mit insgesamt 251,4 Tsd. Kontrakten sehr hoch (Grafik 1). Damit blieben die Ölpreise trotz der positiven kurzfristigen Dynamik weiterhin für abrupte Korrekturen nach unten anfällig.

Für abrupte Preisanstiege dürften weiterhin die Preise für Erdgas anfällig bleiben, das sich als "Profiteur" des möglichen Umdenkens der weltweiten Energiepolitik in Folge der Ereignisse in Japan erweisen sollte. Obgleich die Anleger ihre Netto-Short-Positionen bei Erdgas an der NYMEX zuletzt erneut um 16,3 Tsd. Kontrakte bzw. 8,5% reduziert haben, bleiben sie am Gasmarkt extrem negativ positioniert. Bedingt durch die Eindeckung der Short-Positionen aber auch dank der künftig stärkeren Nachfrage dürfte sich die Preiserholung bei Erdgas fortsetzen.


Edelmetalle

Die aktuellen Unsicherheiten sind ein fruchtbarer Boden für die Edelmetalle. Insbesondere Gold, das auch in der Wirtschafts- und Finanzkrise als Angstindikator und sicherer Hafen beliebt war, profitiert davon und legt zum Wochenstart deutlich auf knapp 1.430 USD je Feinunze zu. Darüber hinaus unterstützen der schwache US-Dollar und Erwartungen, dass die westlichen Zentralbanken die Ereignisse in Japan als Begründung zur Beibehaltung der ultra-lockeren Geldpolitik nutzen werden.

Wir rechnen damit, dass der Goldpreis im aktuellen Umfeld weiter steigen und seinen Rekordwert von 1.445 USD je Feinunze erreichen wird. Im Fahrwasser von Gold sollte Silber noch stärker zulegen und das 31-Jahreshoch bei knapp 37 USD je Feinunze testen. Allerdings scheint die physische Nachfrage nach Silber bereits auf den starken Preisanstieg zu reagieren und sich zumindest etwas zu verlangsamen. So sind die Silberimporte Chinas laut der dortigen Zollbehörde im Februar im Vergleich zum Vormonat um knapp 32% auf 245,6 Tonnen eingebrochen. Dies markiert den niedrigsten Wert seit Januar 2009. Allerdings bleibt China damit immer noch ein bedeutender Netto-Importeur von Silber, denn die Exporte fielen auch auf 56,4 Tonnen zurück (siehe Grafik des Tages).

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Laut CFTC-Daten haben die Finanzanleger ihre Wetten auf steigende Gold- und Silberpreise in der Woche zum 15. März um 6,5% bzw. 5% reduziert. Der Abbau dürfte sich nach dem Stichtag weiter fortgesetzt haben. Offensichtlich haben jedoch einige Langfristanleger den Rückgang zu verstärkten Käufen genutzt. Somit ist diese Entwicklung insgesamt positiv für die Märkte, weil anstelle der „zittrigen“ starke Hände in den Markt kommen.


Industriemetalle

Die Rohstoffpreise erholen sich auch zu Beginn der neuen Handelswoche weiter. Unterstützt werden sie dabei durch einen zunehmenden Risikoappetit der Anleger - die Aktienmärkte zeigen sich mehrheitlich freundlich – und einem schwachen US-Dollar. Der Preisanstieg bei den Metallen fällt allerdings eher moderat aus. Dies könnte in Zusammenhang mit der Entscheidung der chinesischen Zentralbank stehen, die am Freitag zum dritten Mal in diesem Jahr eine Erhöhung der Mindestreserveanforderungen für Banken um 50 Basispunkte beschlossen und damit dem Finanzmarkt Liquidität entzogen hatte. Unterdessen scheinen die Marktteilnehmer durch die Erdbebenkatastrophe in Japan "hindurchzuschauen" und sich bereits auf den Wiederaufbau und die Veränderungen in der Energieversorgung weltweit "vorzubereiten".

Die Weltbank schätzt, dass der Wiederaufbau fünf Jahre dauern könnte. Da der Wiederaufbau der zerstörten Gebiete - den Schaden beziffert die Weltbank auf 122 bis 235 Mrd. USD - wohl sehr materialintensiv sein wird, dürfte insbesondere die Nachfrage nach Stahl, Kupfer, Aluminium und Nickel nach einer vorübergehenden Abkühlung wegen des schwächeren Wirtschaftswachstums umso stärker anziehen. Etwas überraschend haben die Anleger in der Woche zum 15. März bei Kupfer an der COMEX ihre Wetten auf steigende Preise trotz der Katastrophe in Japan ausgebaut. Im weiteren Wochenverlauf dürften sie sich aber aus den Metallmärkten zurückgezogen haben. So ist die Anzahl offener Kontrakte an der LME zuletzt massiv gefallen, was auf Rückflüsse der Anleger hindeutet. Dafür haben sich die Preise relativ gut gehalten. Insgesamt scheint also die von uns erwartete Korrektur nach der spekulativen Übertreibung nahezu abgeschlossen und die Preise für den weiteren Anstieg gut positioniert.


Agrarrohstoffe

Der Weizenpreis hat sich nach dem im Februar beginnenden Einbruch in den letzten Tagen erholt und liegt inzwischen wieder deutlich über der Marke von 700 US-Cents je Scheffel, unter die er in der Vorwoche abgerutscht war. Dass nun die Preise wieder Aufwind haben, liegt nicht nur an der technischen Reaktion auf die kräftigen Kursverluste. Auch hat sich die Angebotssituation augenscheinlich etwas angespannt. So hat die russische Regierung ihre Prognose für die Getreideernte von 85-87 Mio. Tonnen auf nur noch 84-85 Mio. Tonnen nach unten korrigiert.

Wir halten es für wahrscheinlich, dass der offiziell bis 1. Juli dort geltende Exportstopp für Getreide bis Jahresende verlängert wird. Zwar haben sich die Bedingungen in China zuletzt durch ausreichende Regenfälle entspannt, doch verschlechtern derzeit Schnee und Nässe die Bedingungen für die Sommerweizenaussaat im wichtigsten US-Anbaugebiet North Dakota, während in Kansas Trockenheit dem wachsenden Winterweizen zu schaffen macht. Auch schätzt der Deutsche Raiffeisenverband, dass die Weizenernte in diesem Jahr um nur 2,6% auf 24,7 Mio. Tonnen steigen wird. 2010 hatte Trockenheit gefolgt von starkem Regen zu Beginn der Erntezeit die Produktionsmenge und die Qualität der Getreideernte stark belastet.


CFTC Daten: Netto-Long Positionen spekulativer Finanzanleger vs. Preis

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Terminkurven ausgewählter Rohstoffe: aktuell, vor einer Woche und vor einem Monat

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© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst

Quelle: Commerzbank AG, Corporates Markets





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