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CHF markiert historischen Höchstkurs versus Euro - Märkte mit Griechenlandfieber

27.06.2011  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute (07.35 Uhr) gegenüber dem USD bei 1.4125, nachdem Tiefstkurse der letzten 24 Handelsstunden im asiatischen Geschäft bei 1.4101 markiert wurden. Der USD notiert gegenüber dem JPY bei 80.75. In der Folge stellt sich EUR-JPY auf 114.05, während EUR-CHF bei 1.1825 oszilliert.

Der Finanzmarkt leidet unter aggressivem Griechenlandfieber. Ein Land mit einem BIP in Höhe von 235 Mrd. Euro oder 2% des BIP der Eurozone und einer Staatsverschuldung von aktuell circa 350 Mrd. Euro hält die Welt in Atem.

Die Tatsache, dass die Welt vor dem Abgrund mit 33.500 Mrd. USD oder 60% des Welt-BIP 2009 per 2007-2009 "zunächst" erfolgreich gerettet wurde, ist nicht mehr in den Köpfen vorhanden. Wegen Griechenland spielt die Politik heute mit der Erfolgen der homogenen Intervention (historisch bisher einmalig - nicht nationale Egozentrik wie 1929/32), die zu einem selbsttragendem Wachstum hoher Ausformung in circa 75% der Weltwirtschaft geführt hat. Der deutsche Erfolg am Arbeitsmarkt als auch die deutsche fiskalische Gesundung ist mit dieser Intervention eng verbunden.

Europa und der IWF haben sich konditioniert. Wenn das griechische Parlament zustimmt, darf die globale Erfolgsstory weitergehen. Stimmen die Griechen im Parlament nicht zu, steht der Erfolg zur Disposition. Finanzminister Schäuble hat am Sonntag einmal mehr erklärt, dass eine Ablehnung des Reform- und Sparpakets durch das griechische Parlament die Auszahlung der nächsten Tranche aus dem 110 Mrd. Euro Paket der EU und des IWF verhindern würde. Schäuble ist zuversichtlich, dass das griechische Parlament die notwendige Mehrheit auf die Beine stellt. Bei dem Brüsseler Gipfel wurde ein zweites Rettungspaket für Griechenland verabredet und für den Fall in Aussicht gestellt, dass das Reform- und Sparpaket in Athen verabschiedet wird.

Der geniale Diplomat Otto von Bismarck würde sich ob solcher erzwungener Abhängigkeiten, die selbst verursacht sind, im Grabe umdrehen. "Chapeau" Das Heft des Handelns verliert man übrigens grundsätzlich dann aus der Hand, wenn man sich selbst überschätzt (siehe0 WK I, Wilhelm II).

Uns Deutschen sei hier noch einmal gesagt, dass wir der größte Nutznießer der Griechenlandkrise über ein künstlich ermäßigtes Kapitalmarktzinsniveau um circa 1% seit mehr als 18 Monaten sind. Gleichzeitig reden Menschen in deutschen TV immer noch davon, dass wir alles bezahlen. Das ist bisher schlicht weg und ergreifend unwahr.

Nun denn, so sieht unsere Realität aus.

Als Folge gewinnt der CHF, der fast keine Zinsen zahlt. Der CHF markiert historische Höchstkurse bei 1.1804. Gold und Silber, die als Währung noch weniger Fehl und Tadel als der CHF aufweisen, werden dagegen aggressiv abverkauft. Das ist auch mal eine Meisterleistung kognitiver Dissonanz oder geht es hier gar um übergeordnetes Preismanagement?

Am Freitag setzte der deutsche IFO-Index einen genialen Kontrapunkt zu dem davor enttäuschenden ZEW-Index. Der IFO-Index, der einen realwirtschaftlichen Hintergrund aufweist, legte per Berichtsmonat Juni vom Mainstream völlig unerwartet von zuvor 114,2 auf 114,5 Punkte zu. Analysten hatten einen Rückgang auf 113,5 Punkte unterstellt.

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Erfrischend war dabei die Tatsache, dass die Bewertung der aktuellen Lage von zuvor 121,5 auf 123,3 Punkte zulegte und damit den höchsten Wert in der Datenreihe markierte!

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Die Bewertung der zukünftigen Lage ist hinsichtlich der Griechenlandthematik, damit korreliert den Risiken für die Weltwirtschaft und das Weltfinanzsystem, von zuvor 107,6 auf 106,3 Zähler gesunken.

Der beigefügte Chart zeigt den Rückgang seit Februar 2011 von einer historischen Spitze bei 110,7 Punkten. Insgesamt ist der Rückgang bisher als moderat zu klassifizieren. Das wird sich für den Fall ändern, dass das griechische Parlament der Emotion und nicht der Ratio folgt.

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Das US-BIP wurde per 1. Quartal mit einem Anstieg um 1,91% nach zuvor 1,84% auf annualisierter Basis ermittelt. Die Prognose lag bei 1,70%. Ergo hatten wir hier eine leichte positive Überraschung. Wir freuen uns. Diese Nuancen haben jedoch keinen tragfähigen Einfluss. Das Bild der US-Wirtschaft bleibt malade, insbesondere wenn die Datenqualität der USA berücksichtigt wird.

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Der Auftragseingang für langlebige Wirtschaftsgüter stieg in den USA per Berichtsmonat Mai um +1,9% im Monatsvergleich. Die Prognose war bei +1,5% angesiedelt. Der Vormonatswert wurde von -3,6% auf -2,7% revidiert, so dass das aggregierte Zweimonatsergebnis um 1,3% besser als antizipiert ausfiel. Das darf als ermutigend interpretiert werden. Es wird jedoch nur Makulatur sein, sofern das griechische Parlament in dieser Woche nicht den Erwartungen des IWF und der EU entspricht. Der Chart verdeutlicht, dass der Aufholprozess in den USA ungleich weniger dynamisch verläuft als in anderen Regionen der Weltwirtschaft.

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Die im Vergleich zu den USA, Japan und dem Vereinigten Königreich erfolgreichste Region in der Frage der Neuverschuldung und Reformpolitik in der Krise, die Eurozone (2009 -6,3%, 2010 -6,0%, 2011 -4,3%, 2012 -3,5% versus -10% und mehr in USA, Japan und UK), hat es fertig gebracht, die Lehren der homogenen und umfassenden Antworten aus der Krise 2007-2009 zu ignorieren und damit die jetzige Situation heraufzubeschwören. Das schafft schon ein Stück weit Fassungslosigkeit. Der Bericht der Fortschritte der Reformen, die wir in diesem Format immer wieder aufwarfen,
  • z.B. Handelsbilanzdefizitreduktion um knapp 60% innerhalb von drei Jahren,
  • Reform der Wirtschaftsstrukturen,
  • Reform der administrativen Strukturen,
  • 2010: Reduzierung der öffentlichen Angestellten mit Zeitverträgen um 29.500 oder 38%,
  • 2010: Reduzierung der öffentlichen Angestellten insgesamt um 82.400 oder 10%,
  • 2010: Reduzierung der Löhne im öffentlichen Dienst um bis zu 15% (SOE = state owned enterprises bis zu 30%),
  • 2010: Reduzierung der nominalen Renten im öffentlichen und privaten Sektor um 10% und der
  • Erfolge der Defizitreduzierung um 5% des BIP bei einem gleichzeitigen Einbruch der Wirtschaft um 4,5%,

liegt neben mir auf dem Pult. Solche Erfolge bei dem größten Reformprogramm in der Geschichte der Industrienationen verdient Vertrauen und nicht das unselige Verhalten seitens der Finanzmärkte und der europäischen Politik, das uns derzeit bestimmt. Die mediale Ignoranz (auch gestern bei Frau Will) ob dieser Entwicklungen war und ist Atem beraubend. "Food for thought!"

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das eine neutrale Haltung in der Parität EUR-USD favorisiert. Erst ein Ausbruch aus der Bandbreite 1.3950 - 1.4500 eröffnet neue Opportunitäten. Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank





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