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Internationale Kulisse über Europas Tempo im Krisenmanagement irritiert!

28.11.2011  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute (07.55 Uhr) bei 1.3300, nachdem im europäischen Handel Tiefstkurse der letzten 24 Handelsstunden bei 1.3213 markiert wurden. Der USD stellte sich gegenüber dem JPY auf 77.65. In der Folge notiert EUR-JPY bei 103.25, während EUR-CHF bei 1.2335 oszilliert.

Die verständliche Kritik an der europäischen Krisenbewältigung wird zunehmend lauter. Aus einem überschaubaren Problem Griechenlands wurde ein europäischer Flächenbrand, der die erfolgreiche Reformpolitik innerhalb der Eurozone gefährdet und sich aktuell global destabilisierend auswirkt.

In diesem Format haben wir vor langer Zeit bereits auf diese Zusammenhänge verwiesen und entsprechende Kritik an den für die deutsche Politik wesentlichen Vertretern orthodoxer Ordnungspolitik um jeden Preis geübt (in Extremlagen ist orthodoxe Ordnungspolitik kontraproduktiv).

Unser O-Ton: Europa (oder die deutsche Politik) spielt nicht nur mit der konjunkturellen Erholung Deutschlands und der damit verbundenen fiskalischen Erholung, sondern auch mit der Erholung der Eurozone (die elementar für die Reformerfolge ist) als auch mit der Weltwirtschaft und ultimativ mit dem Weltfinanzsystem. Wir sind an einem kritischen Punkt angelangt.

Werfen wir einen Blick auf die jüngsten Einschätzungen der internationalen Kulisse:
  • Der brasilianische Finanzminister Mantega sagte, dass Europa sehr langsam sei, Entscheidungen bei der Krisenbekämpfung zu treffen. Die Effekte der Krise würden jetzt Deutschland erreichen.

  • Der kanadische Finanzminister Flaherty erklärte, dass die europäische Defizitkrise eine globale Ansteckung verursache

Flaherty liegt zu 100% richtig. Die Abkühlung auf globaler Ebene ist nicht Folge der Sättigung der globalen Zyklik (im Gegensatz zu 2008/2009), sondern ist Ausdruck des systemischen Risikos ausgehend von der Eurozone.

In der Frage des Tempos der Krisenmaßnahmen stimmen wir Herrn Mantega zu. Auch in seiner Analyse, dass jetzt Deutschland von der Krise betroffen wird, ist kein Widerspruch möglich. Das sind in Deutschland eben die Folgen mangelnder Abstraktion des eigenen Handelns.

Jetzt, da Deutschland von der Krise erreicht wird, kommt hektische Bewegung in das deutsche politische Spiel. Finanzminister Schäuble sagte, dass die politische Führung Europas am 9. Dezember Entscheidungen treffen werde (Veränderung der EU-Verträge etc.).

Bezüglich der dramatischen Entwicklungen am Geld- und Kapitalmarkt (Italien für 6-Monatsgeld 6,5% !!!) für die Mitgliedsländer der Eurozone, stellt sich die Frage, ob die jetzt zu treffenden Maßnahmen nicht schlussendlich zu spät ergriffen werden.

Verspieltes Vertrauen, auch wenn es durch CDS-Marktteilnehmer in Verbindung von Ratingagenturen bewusst forciert wurde, lässt sich international nicht mit einem Handstreich zurückgewinnen.

Das gilt um so mehr, wenn egozentrisches Verhalten des wesentlichsten Protagonisten der Eurozone während der letzten 18 Monate Ausdruck einer Aufkündigung der Solidarität der Achse der Krisenbewältigung nach dem Muster 2008/2009 darstellte. Bei plötzlich spürbarer eigener Betroffenheit dann umzusteuern, bestätigt den Ansatz der Egozentrik und wirft die Frage mangelnder Abstraktionsfähigkeit auf.

Kommen wir kurz zu unseren "Freunden" in den Ratingagenturen. Belgiens Bonität wurde am Freitag von Standard & Poors von zuvor AA+ auf AA herabgestuft. Der Ausblick bleibt negativ. Das nehmen wir zur Kenntnis. Was passiert eigentlich aktuell in Belgien?

Belgien hat sich nach 530 Tagen ohne Regierung auf einen Haushalt für die nächsten drei Jahre geeinigt. Der Weg für eine neue Regierung unter der Führung des Sozialisten Elio Di Rupo ist geebnet. Ein Reformprogramm in einem Volumen von 11,3 Mrd. Euro nebst Strukturreformen im Sektor Arbeitsmarkt und Rentenmarkt sind verabredet.

Na, das passt doch ins Bild. Reformpolitik in der Eurozone (nicht im Vereinigten Königreich) wird mit Herabstufungen begleitet. Das Skript der Begleitung der europäischen Reformpolitik zeichnet sich seitens der Ratingagenturen durch ein hohes Maß an "Kontinuität" aus. Mit dieser Politik werden Kapitalzuflüsse in die Reformländer gemindert, obwohl die Reformen mittel- und langfristig das Potentialwachstum erhöhen. "Chapeau!"

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das zunächst eine neutrale Haltung in der Parität EUR-USD favorisiert. Ein nachhaltiger Ausbruch aus der Bandbreite 1.3350 - 1.3880 eröffnet neue Opportunitäten.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank



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