Suche
 
Folgen Sie uns auf:

EZB unbeirrt - BoE agiert - Bush subventioniert wegen Banken oder wegen ...

07.12.2007  |  Folker Hellmeyer
EZB unbeirrt - BoE agiert - Bush subventioniert wegen Banken oder wegen Kreditnehmern?

Der Euro eröffnet heute bei 1.4610, nachdem gestern Tiefstkurse bei 1.4525 markiert wurden. Der USD konnte sich gegenüber dem JPY behaupten und notiert derzeit bei 111.25.

Wenden wir uns der Vollständigkeit halber den gestern wenig beachteten Veröffentlichungen aus der Eurozone und den USA zu. Der deutsche Auftragseingang per Oktober verzeichnete einen nicht erwarteten markanten Anstieg um 4% im Monatsvergleich. Erwartet war eine Zunahme um lediglich 0,9%. Der Vormonatswert wurde von -2,5% auf -1,6% revidiert. Im Jahresvergleich stellte sich damit ein Zuwachs um 10,3% nach zuvor 5,4% ein. Die Arbeitslosenerstanträge per 1. Dezember sanken in den USA von revidiert 353.000 (350.000) auf 338.000 (Prognose 340.000). Mithin lieferten die Veröffentlichungen von der Wirtschaftsfront unterschwellig Unterstützung für den Euro.

Für die Erholung des Euros von den Tiefstkursen sorgte gestern die EZB. Den Erwartungen des Marktes entsprechend kam es zu keiner Veränderung der Zinspolitik. Wer in der Verbalakrobatik Nuancen einer Neuorientierung im Hinblick auf das Dilemma am internationalen Finanzmarkt und die sich abzeichnenden realwirtschaftlichen Folgen erwartete, sah sich nachhaltig enttäuscht. Inflationsrisiken bleiben im Fokus der EZB. An der stabilitätspolitischen Ausrichtung ändert sich kein Jota. Die Projektion des BIP per 2008 wurde von 1,8% - 2,8% auf 1,5% - 2,5% angepasst. Per 2007 liegt die Projektion nun bei 2,4% - 2,8% (zuvor 2,2% – 2,8%). Für die Inflation liegt die Projektion per 2007 bei 2,0% - 2,2% (zuvor 1,9% - 2,1%). Per 2008 wurde die Projektion von 1,5% - 2,5% auf 2% - 3% angehoben. Per 2009 wird ein Rückgang in Richtung 1,4% - 2,4% projiziert. Die Bank of England zeigt sich dank der Dramatik der Entwicklung am englischen Geldmarkt und den absehbaren realwirtschaftlichen Folgen genötigt, einen anderen Weg als die EZB einzuschlagen. Die Bank of England hat auf ihrer gestrigen Sitzung eine Senkung des Leitzinses von 5,75% auf 5,50% beschlossen. Das GBP schwächte sich in der Folge deutlich ab. Der Markt interpretiert den Zinsschritt damit als eine Notfallmaßnahme. Diese Interpretation erscheint uns zulässig.

Gestern hat US-Präsident Bush das im Vorwege bereits bekannt gewordene Hilfsprogramm für Banken und Kreditnehmer vorgestellt. Der Plan beinhaltet das Einfrieren der Niedrigzinsen für 5 Jahre. Umfinanzierungen werden ermöglicht. Circa 1,2 Millionen Hausbesitzer können von diesem Plan profitieren.

Nähere Details und vor- oder nachgelagerte rechtliche Problemstellungen in diesem Prozess waren heute morgen nicht erhältlich.

Es drängt sich jedoch die Frage auf, ob die Fokussierung auf das jetzt erzielte Resultat, dass Vertragsparteien von Konsequenzen ihres Handelns bewahrt, richtungweisend sein kann. Der aktuelle Prozess ist kurzfristig ausgerichtet und solitär resultatsgetrieben. Er hinterfragt nicht ansatzweise die Ursache für die aktuelle Problematik. Genau diese Frage ist jedoch die einzig relevante Frage. Wie konnte diese Problematik erst ermöglicht werden? Die Wurzel des Problems ist zu bekämpfen und nicht ihre Facette!

Die Antworten auf diese relevante Frage sind vielfältig. Wie konzentrieren uns auf die Großmutter und Mutter des Problems: Der interventionistische Ansatz der Bush-Administration in der Fiskalpolitik und die
Nähe/Mitbestimmung der Politik bei der Fed ist die Großmutter des Problems. Die Zins- und Geldpolitik Alan Greenspans, jedes Problem mit Finanzdrogen zu sedieren, ist die Mutter des Problems. Beide Ursachen ermutigten zu einem Mangel an Risikoaversion und forcierten spekulative Kräfte.

Das aktuelle Hilfsprogramm ist erneut Ausgeburt des Interventionismus. Es ermutigt zu einem Verhalten, das meines Erachtens im diametralen Widerspruch zu den Begriffen Nachhaltigkeit und Verantwortung steht. Fehlentwicklungen, die Folge von Interventionismus sind, werden durch Interventionen gleicher oder ähnlicher Qualität nicht geheilt. Ein Drogensüchtiger wird auch nicht durch Vergabe von Drogen auf den Pfad der Gesundheit gebracht!

Eine weitere Frage drängt sich auf. Die Stresszustände der privaten Haushalte in den USA und der Anstieg der Zwangsvollstreckungen ist schon seit längerer Zeit bekannt. Erst nach dem Ausbruch der Finanzkrise im Spätsommer 2007 reagiert die Politik. Steht das Wohl und Wehe der Banken oder der privaten Haushalte im Fokus der Politik? Werden die privaten Haushalte aktuell vorgeschoben, um Lösungsansätze für die Bankenkrise zu etablieren? Antworten geben wir an dieser Stelle nicht. Wir halten diese Frage jedoch für bedenkenswert.

Hinsichtlich der heute anstehenden Daten verweisen wir auf die Datenbox. Fraglos ist der USArbeitsmarktbericht von hervorgehobenem Interesse. Hinsichtlich der Entwicklung der Erstanträge und der Beschäftigungsindices in den ISM Indices ist eine Belebung der Beschäftigung in der realen Welt unwahrscheinlich.

Der Beschäftigungsindex des ISM-Index für das verarbeitende Gewerbe ist per November von 52,0 auf 47,8 Punkte in den kontraktiven Bereich gesunken. Der Beschäftigungsindex des ISM-Dienstleistungsindex sank per November von 51,8 auf 50,8 Punkte.

Der Chart der Erstanträge verdeutlicht gleichfalls eine Zunahme von einem Niveau von circa 300.000 erstanträgen auf zuletzt 340.000 - 350.000.

Open in new window


Schauen wir mal, was die statistische Welt in den USA heute zu bieten hat und insbesondere, ob sie der realen Welt entspricht!

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den USD unverändert aus technischen und politischen Gründen favorisiert. Erst ein Überwinden des Widerstands bei 1.4820-50 neutralisiert den positiven Bias des USD.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chef-Volkswirt der Bremer Landesbank






Hinweis: Meinungen oder Empfehlungen geben die Einschätzung des jeweiligen Verfassers wieder und stellen nicht notwendigerweise die Meinung der Bremer Landesbank oder deren assoziierter Unternehmen dar. Sie können sich jederzeit ohne vorherige Ankündigung ändern. Die hier enthaltenen Aussagen sind nicht als Angebot oder Empfehlung bestimmter Anlageprodukte zu verstehen. Dies gilt auch dann, wenn einzelne Emittenten oder Wertpapiere erwähnt werden. Hier enthaltene Informationen können auf die individuellen Verhältnisse des Anlegers abgestellte, kundenspezifische und objektorientierte Beratung nicht ersetzen. Bitte setzen Sie sich deshalb mit Ihrem bei der Bremer Landesbank zuständigen Berater in Verbindung.





Bewerten 
A A A
PDF Versenden Drucken

Für den Inhalt des Beitrages ist allein der Autor verantwortlich bzw. die aufgeführte Quelle. Bild- oder Filmrechte liegen beim Autor/Quelle bzw. bei der vom ihm benannten Quelle. Bei Übersetzungen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Der vertretene Standpunkt eines Autors spiegelt generell nicht die Meinung des Webseiten-Betreibers wieder. Mittels der Veröffentlichung will dieser lediglich ein pluralistisches Meinungsbild darstellen. Direkte oder indirekte Aussagen in einem Beitrag stellen keinerlei Aufforderung zum Kauf-/Verkauf von Wertpapieren dar. Wir wehren uns gegen jede Form von Hass, Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde. Beachten Sie bitte auch unsere AGB/Disclaimer!




Alle Angaben ohne Gewähr! Copyright © by GoldSeiten.de 1999-2024.
Die Reproduktion, Modifikation oder Verwendung der Inhalte ganz oder teilweise ohne schriftliche Genehmigung ist untersagt!

"Wir weisen Sie ausdrücklich auf unser virtuelles Hausrecht hin!"