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Das China-Syndrom

24.05.2024  |  Craig Hemke
Sind wir Zeugen einer epochalen Veränderung? Verlieren die COMEX und die LBMA ihre Rolle als Preisbildner auf dem Edelmetallmarkt für die ganze Welt, da sich Einfluss und Kontrolle nach China verlagern? Möglicherweise. Ehrlich gesagt ist es zu früh, um das zu wissen. Aber die Dinge scheinen auf jeden Fall in diese Richtung zu tendieren.

Und was würde eine Verschiebung des Gleichgewichts der Preismacht nach China bedeuten? Das westliche Preisbildungssystem mit fraktionierten Reserven und digitalen Derivaten besteht seit fast 50 Jahren. Welche Auswirkungen könnte es haben, wenn der Preis durch die östliche physische Nachfrage und nicht mehr durch das westliche Papierangebot bestimmt wird?

Vielleicht sehen wir das ja schon. Allein in der letzten Woche ist der Preis für physisches Silber in Shanghai um fast 15% von 30 Dollar je Unze auf 35 Dollar je Unze gestiegen und schloss am Montag, dem 20. Mai, bei 35,30 Dollar. Die Londoner & New Yorker Bullionbanken laufen Gefahr, bei physischen Arbitragegeschäften beträchtliche Mengen an Metall zu verlieren, wenn sie nicht zulassen, dass der COMEX-Preis Schritt hält. Daher ist der Preis des COMEX-Silberkontrakts für Juli 24 um fast den gleichen Prozentsatz gestiegen.

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Mit dieser Bewegung brach der COMEX-Preis aus seiner fast vierjährigen Handelsspanne aus und wird mit ziemlicher Sicherheit neue Spekulationsgelder anziehen. Es sei daran erinnert, dass der Goldpreis an der COMEX innerhalb einer Woche um 100 Dollar gestiegen ist, nachdem er im März aus seiner eigenen mehrjährigen Preisspanne ausgebrochen war.

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In Wirklichkeit hatten die Bullionbanken jedoch keine andere Wahl, als den Preis steigen zu lassen, obwohl der jüngste Commitments-of-Traders-Bericht ergab, dass sie gemeinsam Netto-Leerverkäufe von über 37.000 COMEX-Silberkontrakten oder etwa 190.000.000 Unzen Silber aufweisen. Wäre der COMEX-Preis unter 28 Dollar geblieben, während der Shanghaier Preis auf 35 Dollar stieg, wäre die daraus resultierende Arbitrage von 7 Dollar je Unze möglicherweise profitabel genug, um eine erhebliche Entleerung der COMEX-Tresore zu bewirken. Gefangen zwischen dem sprichwörtlichen "Fels in der Brandung", hatten die Banken keine andere Wahl, als den COMEX-Preis steigen zu lassen.

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Während ich also am Montagmorgen, dem 20. Mai, meine Zeilen schrieb, betrug die Differenz zwischen New York und Shanghai etwa 3 Dollar je Unze. Ist das gering genug, um die Relevanz der COMEX-Preise aufrechtzuerhalten und die Arbitrage, die den Tresorraum aushöhlt, zu verhindern? Möglicherweise. Aber was passiert, wenn die physische Knappheit in China und anderswo im Osten zu noch höheren Preisen führt? Wenn Shanghai Ende dieser oder in der nächsten Woche physisches Silber zu 40 Dollar je Unze anbietet, wie kann dann der COMEX-Preis nicht auf 37 Dollar steigen? Aber bei 37 Dollar wird diese Netto-Short-Position von fast 200.000.000 Unzen mit weiteren $1.000.000.000.000 an potenziellen Verlusten belastet. Wir sprechen von einem Short Squeeze!

Ist das der Grund, warum die Leiter der Edelmetallhandelsabteilungen von vier verschiedenen Edelmetallbanken im März und April abwechselnd in Shanghai vorbeischauten, weil sie sich Sorgen machten? Das kann kein Zufall sein. Baten sie um Gnade und eine chinesische Intervention zur Preiskontrolle?

Dies wirft die Fragen auf, die ich Dave Kranzler in einem aufgezeichneten Podcast gestellt habe. Verliert die COMEX ihre monopolistische Kontrolle über den Preis? Können physisch gelieferte Kontrakte in Shanghai London und New York die Kontrolle über den Preis entreißen? Wird die COMEX letztlich zum "Preisnehmer" statt zum "Preisgestalter"?

Vor Jahren prägte mein guter Freund Ned Naylor-Leyland den Satz "Der Schwanz des Terminmarktes wedelt mit dem Hund des Kassamarktes", und bis vor kurzem war genau das der Fall. Der weltweit anerkannte Gold- und Silberpreis wurde in erster Linie durch den Handel mit Derivaten und Futures/Terminkontrakten bestimmt. Doch damit ist jetzt Schluss. Zumindest nicht diese Woche. Der physische Preis in Shanghai "wedelt" jetzt mit dem Futures-Preis in New York.

Wenn das so weitergeht, haben wir es wirklich mit einem Paradigmenwechsel zu tun, und das bedeutet zwar nicht, dass die Edelmetallpreise jetzt geradewegs nach oben und "zum Mond" steigen werden, aber es bedeutet, dass der physische Metallhandel endlich wieder den ihm zustehenden Platz im globalen Preisfindungsprozess einnimmt. In Anbetracht der Hebelwirkung, der Verpfändung, der Weiterverpfändung und des allgemeinen Unfugs, der dem derzeitigen Preissystem innewohnt, sollte jeder Wechsel zurück zu einem Einfluss des physischen Metalls auf den Preis von allen Edelmetall- und Minensektorenthusiasten sehr begrüßt werden.


© Craig Hemke
TF Metals Report



Der Artikel wurde am 21. Mai 2024 auf www.sprottmoney.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.


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