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Übertreibungen auf breiter Front

23.10.2008  |  Eugen Weinberg
Energie

Der WTI-Ölpreis handelt heute Morgen leicht erholt bei 68 USD je Barrel, nachdem gestern noch Tiefstände bei 66 USD verzeichnet wurden, der niedrigste Stand seit Juni 2007. Dies dürfte mit der außerplanmäßigen OPEC-Sitzung morgen zusammenhängen, wo es aller Voraussicht zu einer Kürzung der Fördermenge kommen wird. Die gestern veröffentlichten Daten zu den US-Lagerbeständen trugen nicht dazu bei, dass sich die Stimmung am Ölmarkt nachhaltig aufhellte.

Die Rohöllagerbestände stiegen in der letzten Woche um 3,2 Mio. Barrel und damit etwas stärker als erwartet. Dies geschah trotz einer um 3% gestiegenen Nachfrage der Raffinerien nach Rohöl und einem stärker als erwartet ausgefallenen Anstieg der Raffinerieauslastung um 2,5 Prozentpunkte auf 84,8%. Der Lageraufbau bei Benzin um 2,7 Mio. Barrel lag im Rahmen der Erwartungen. Bei den Destillaten kam es zu einem unerwartet kräftigen Anstieg um 2,1 Mio. Barrel. Die Lagerbestandsdaten untermauern damit das Bild eines Überangebots von Rohöl und einer schwachen Nachfrage nach Ölprodukten. Dies dürfte gleichzeitig den Falken innerhalb der OPEC Argumente liefern, welche auf eine kräftige Kürzung der Fördermenge drängen.

Der Iran brachte eine Kürzung um 2-2,5 Mio. Barrel pro Tag ins Spiel. Ob sich dies durchsetzen lässt, ist fraglich. So gibt Nigeria zu verstehen, mit einem Ölpreis von 80 USD gut leben zu können, will aber die eigene Produktion nicht kürzen, weil man auf die Öleinnahmen angewiesen ist. Dieses Dilemma steht stellvertretend für die meisten anderen OPEC-Mitglieder. Aus diesem Grund dürfte es der OPEC schwer fallen, sich auf eine deutliche Produktionskürzung zu verständigen und diese dann auch durchzusetzen. Auch wenn der Ölmarkt bereits in einer Übertreibungsphase ist, kann diese durchaus noch andauern. Damit der Ölpreis wieder über 70 USD steigt, müsste sich die Marktstimmung bessern und der extreme Pessimismus weichen.


Edelmetalle

Gold ist gestern weiter unter Druck geraten und notiert derzeit auf dem niedrigsten Stand seit 13 Monaten bei 730 USD je Feinunze. Der steigende US-Dollar und Zwangsliquidationen von "Papiergold" durch Finanzinvestoren dürften Hauptgrund für die derzeitige Schwäche von Gold sein. Offensichtlich befürchtet man auch, dass die Rezession zu einem scharfen Einbruch der Schmucknachfrage weltweit führen wird, da es weniger zahlungskräfiges Klientel gibt. Einen derartigen Einbruch könnte die Nachfrage nach Münzen und Barren nicht kompensieren, weil der Schmucksektor rund 70% der Gesamtnachfrage ausmacht.

Das Anlegerinteresse nach physischem Gold ist weiterhin intakt. SPDR Gold Trust meldet per gestern unveränderte Goldbestände in Höhe von 755,64 Tonnen. Wir erachten die derzeitige Schwäche bei Gold als übertrieben und rechnen mit einer baldigen Erholung. Zuvor müssen die o.g. Belastungsfaktoren jedoch an Einfluss verlieren.
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Industriemetalle

Alle Industriemetalle gerieten gestern in den Abwärtssog und gaben deutlich nach. Der Metallindex LMEX der Londoner Metallbörse sank um weitere 5,9%. Der Drei-Monatskontrakt für Aluminium notierte heute morgen kurzzeitig unter 2000 Dollar je Tonne. Das World Bureau of Metal Statistics berichtete gestern von einem Nachfrageüberschuss von 781 Tsd. Tonnen in den ersten sieben Monaten des laufenden Jahres. Das Produktionsplus von knapp 7% in diesem Zeitraum lag spürbar höher als der Nachfrageanstieg um 3,7%. Wir denken, dass die zahlreichen Produktionskürzungen, die angesichts nach wie vor hoher Produktionskosten bei der Aluminiumherstellung noch zunehmen dürften, dieses Ungleichgewicht reduzieren und die Preise mittelfristig unterstützen werden.


Die Tendenzen in der stark zyklischen Stahlindustrie sind weiter abwärtsgerichtet: Die weltweite Rohstahlproduktion sank im September gemäß International Iron and Steel Instiute um weitere 3,7% gegenüber Vormonat. Vor allem in China sank der Output drastisch um 7%. In Südkorea, fünftgrößtes Produzentenland, ist der Output nur leicht gesunken. Im Edelstahlbereich dürfte der südkoreanische Output dagegen spürbar fallen. Posco, Asiens größter Edelstahlproduzent, kündigte gestern an, seine Produktion im laufenden Quartal um 30% zu reduzieren; im dritten Quartal war er bereits um 17% auf 334 Tsd. Tonnen verringert worden. Die Produzenten versuchen den derzeitigen Preisverfall durch Produktionskürzungen zu bremsen; kurzfristig sind aber vor allem bei börsengehandelten Industriemetallen die Rezessionsängste und Zwangsliquidationen dominierende Faktoren, die derzeit zu Übertreibungen führen.

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© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst

Quelle: Commerzbank AG, Corporates Markets





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